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Welterbe? Oder frei zum Abriss?

Mannheims Multihalle ist ein architektonisches Meisterwerk - und einsturzgefährdet

  • Julian Weber, Mannheim
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Multihalle ist eine architektonische Genieleistung. In der Fachliteratur wird die Konstruktion ausführlich beschrieben, viele Architekten besuchen wegen ihr Mannheim. Doch der Abriss droht.

Aus der Ferne erinnert das Dach an das Facettenauge eines Insekts. Vierecke aus Holzlatten, dazwischen weiße Folie - daraus besteht die Kon-struktion der Multihalle von Mannhein (Baden-Württemberg). Um das architektonische Meisterwerk ist nun ein Streit entbrannt: Abreißen oder erhalten?

»Jeder Architekt kennt die Multihalle. Dieser Bau ist weltweit einzigartig«, sagt Ludwig Schwöbel, Vorsitzender des Architekten- und Ingenieurvereins Rhein-Neckar. Architekten fordern den Erhalt der Halle - vor allem deren komplexe Formen seien bemerkenswert. Die Multihalle wurde für die Bundesgartenschau 1975 von Stararchitekt Frei Otto (1925-2015), dem Mitschöpfer des weltberühmten Münchner Olympiadaches, in Zusammenarbeit mit dem Mannheimer Architekten Carlfried Mutschler geplant. Die freitragende Konstruktion wurde anhand von Modellen konzipiert und mit einem Großcomputer optimiert. Diese Meisterleistung wollten immer noch viele Architekten aus aller Welt sehen, erzählt Esat Keklik. Fotos vom Inneren der Halle können die Besucher aber nur in Kekliks Restaurant schießen, das in der Multihalle liegt. Die Halle selbst dürfen sie nicht betreten - durch Verformungen ist sie seit Jahren einsturzgefährdet.

Die Sanierungskosten für das Holzgittertragwerk und die Dachhaut belaufen sich laut der Stadt Mannheim auf etwa 11,6 Millionen Euro. 2012 wurden die Kosten noch auf etwa fünf Millionen Euro geschätzt.

»Die in den letzten Jahren vorgenommenen Untersuchungen haben jedoch ein weitaus größeres und schwieriger einzuschätzendes Schadensbild ergeben«, sagt ein Sprecher der Stadt Mannheim. Der Grund dafür sei, dass die Multihalle für eine temporäre Nutzung geplant worden sei, nicht für eine Dauernutzung.

Ludwig Schwöbel war vor einigen Jahren auch an den Planungen beteiligt. Er hält die genannten Kosten für völlig überzogen. »Ich bin mir sicher, dass man die Multihalle wesentlich günstiger sanieren kann. Für die Kalkulationen wurde mit einer sehr aufwendigen Sanierungsmethode geplant, bei der die gesamte Konstruktion verstärkt werden muss«, erläutert der Architekt. Dadurch würde auch die originale Bausubstanz verändert, was nicht wünschenswert sei.

Die Stadt Mannheim weiß um die Einmaligkeit des Bauwerks, aber wegen der weitreichenden Schäden sind die Maßnahmen für sie mit einem erheblichen Kostenrisiko verbunden. Daher hat der Gemeinderat Mitte Juni beschlossen, die Sanierung sei wegen der hohen Kosten und weiterer Risiken im Bauverlauf weder tragbar noch zumutbar. Die Sanierung sei eine Aufgabe, die »von privater Seite und ergänzend von Bund und Land zu finanzieren« sei. Deshalb soll es eine Spendenkampagne der Stadt für die Multihalle geben. Um den Erhalt zu garantieren, will die Architektenschaft bei der UNESCO einen Antrag auf Anerkennung als Weltkulturerbe stellen. Dadurch könnten auch neue Fördergelder beschafft werden. Falls bis Ende 2017 keine Finanzierung steht, bliebe nur noch der Rückbau.

Was aus dem Restaurant in der Multihalle wird, weiß Esat Keklik noch nicht. »Ich müsste an einigen Stellen investieren. Aber falls die Halle doch abgerissen wird, wäre das alles umsonst. Das Risiko kann ich nicht eingehen.« dpa/nd

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