Keine Zäune gegen Hunger

Welthungerhilfe mahnt: Bekämpfung von Fluchtursachen muss Perspektiven in den Heimatländern schaffen

  • Josephine Schulz
  • Lesedauer: 3 Min.
Flüchtlingsbewegungen waren für die Welthungerhilfe 2015 die zentralen Herausforderung. Die Bekämpfung von Hunger wird durch Kriege und Klima komplexer.

Vor zwei Jahren hatte die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, gewarnt, dass die Situation in den Flüchtlingslagern um Syrien unhaltbar sei und die Menschen zunehmend auch von dort fliehen würden. Damals war ihre Prognose beinahe ungehört verhallt. Nun steht die Bekämpfung von Fluchtursachen ganz oben auf der politischen Agenda.

»Für uns ist das schon immer ein zentrales Thema, lange bevor Europa aufgewacht ist«, sagt Dieckmann. Die zunehmenden Fluchtbewegungen stellten aber auch die Welthungerhilfe vor neue Herausforderungen. Am Donnerstag zog die Organisation in Berlin Bilanz des letzten Jahres. »Wir sehen immer mehr Ländern in denen es staatliche Zerfallsprozesse gibt und Migration zur Herausforderung eines Jahrzehnts wird«, so Dieckmann.

2015 arbeitete die Organisation in mehr als zehn Ländern mit über zwei Millionen Vertriebenen. Dieckmann stellt aber auch klar, dass die Lösungsansätze zwischen der Welthungerhilfe und politischen Entscheidungsträgern mitunter weit auseinandergehen. »Die Bekämpfung von Fluchtursachen kann nicht bedeuten, mehr Zäune zu bauen.« Europa werde sich beteiligen müssen, so Dieckmann. »Mit der Aufnahme von Menschen aber vor allem dabei, die Situation in den Ländern so zu verbessern, dass Menschen nicht fliehen müssen, weil sie ihre Familie nicht ernähren können.«

Nach der Vorstellung des Bundeshaushalts am Mittwoch hatten schon andere Organisationen die Bundesregierung kritisiert. Zwar wird der Entwicklungsetat um 580 Millionen aufgestockt. Die Präsidentin von Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel, sagte jedoch, dass dies angesichts eines Anstiegs des Verteidigungsetats um 1,7 Milliarden Euro viel zu wenig sei. Sie sieht die Tendenz, dass Entwicklungszusammenarbeit zur Abwehr von Flüchtlingen instrumentalisiert wird. Besonders die EU-Kommission scheine, so Füllkrug-Weitzel, aus den »eh nicht ausreichend gefüllten Töpfen der Entwicklungszusammenarbeit Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe für Armeen afrikanischer Staaten finanzieren zu wollen«. Dabei seien die Mittel dazu gedacht, Krisenprävention zu betreiben.

Auch Till Wahnbaeck, Vorstandsvorsitzender der Welthungerhilfe, sieht Prävention als zentrale Aufgabe. Er kritisiert, dass die finanzielle Förderung durch die Bundesregierung teilweise an den Bedarfen vorbeigehe. »Hunger wird komplexer. Und damit auch seine Bekämpfung.« Klimaveränderungen und bewaffnete Konflikte seien immer mehr Auslöser von Not, so Wahnbaeck. Dabei könne man nicht mehr, wie das von der Bundesregierung getan würde, klar zwischen akuter Nothilfe und langfristiger Entwicklungszusammenarbeit trennen. »Wir brauchen da flexiblere Instrumente und auch flexiblere Finanzierung.« So würden viele geflohene Menschen mehr als zehn Jahre außerhalb ihrer Heimat bleiben. Und für Menschen im Süden gebe es oft nicht mehr die eine große Klimakatastrophe, sondern eine konstante Verschlechterung und Ungewissheit.

Dass im vergangenen Jahr von den Vereinten Nationen globale Nachhaltigkeitsziele festgelegt wurden und in Paris ein Klimaabkommen zu Stande kam, bewertet die Welthungerhilfe positiv. Dieckmann stellt aber auch klar: »Das sind lange Prozesse. Und in Regionen wie Syrien sind Nachhaltigkeitsziele sicher nicht das zentrale Thema.« Für die kriegerischen Auseinandersetzungen brauche es politische Lösungen. Sie glaubt: »Die Großmächte müssen wieder konsensorientierter zusammenarbeiten, um Stellvertreterkriege zu verhindern.«

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