Millionäre stärker besteuern oder nicht?

Eine Koordinierungsgruppe der Grünen hat vergeblich versucht, finanzpolitische Konflikte in der Partei zu beenden

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Grünen streiten darüber, ob sie sich für eine Wiederbelebung der Vermögensteuer einsetzen sollten. Während der linke Parteiflügel mehr Gerechtigkeit fordert, wollen die Realos Unternehmen schonen.

Eigentlich sollte die Koordinierungsgruppe der Grünen zur Finanz- und Steuerpolitik dabei helfen, internen Streit zu vermeiden. Doch nach zwei Jahren Arbeit hat sich das vom Parteivorstand eingesetzte Gremium in zentralen Fragen nicht einigen können. Der am Montag in der Berliner Grünen-Zentrale vorgestellte Abschlussbericht nennt etwa die »Wiederbelebung einer Vermögensteuer« als strittigen Punkt. Der linke Flügel der Partei um die Vorsitzende Simone Peter und Fraktionschef Anton Hofreiter befürwortet ein Konzept, das einen persönlichen Freibetrag von mindestens einer Million Euro vorsieht. Der Steuersatz sollte maximal ein Prozent betragen und das Aufkommen bei zehn Milliarden Euro liegen. Mit dem Geld sollen die Bundesländer unterstützt werden, die es für Investitionen brauchen. Die Vermögensteuer in ihrer damaligen Form hatte das Bundesverfassungsgericht 1995 für nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar erklärt.

Unternehmernahe Vertreter des Realoflügels wie der Kovorsitzende Cem Özdemir wehren sich gegen eine Vermögensteuer. »Diese Steuer ist schwierig zu gestalten. Wir wollen, dass unternehmerische Investitionsentscheidungen möglichst wenig beeinflusst werden«, sagte die Reala Anja Hajduk. Als im Bundestag vertretene Haushaltspolitikerin präsentierte sie den Bericht gemeinsam mit ihrem Fraktionskollegen, dem Finanzpolitiker Gerhard Schick, und Simone Peter, welche die Koordinierungsgruppe geleitet hatte.

Aus Sicht von Hajduk könnte die wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts anstehende Reform der Erbschaftsteuer das geeignetere Instrument sein, um große Vermögen stärker zu besteuern. Demnach sollen bisherige Freibeträge beibehalten werden und moderate Steuersätze in einer Größenordnung von 15 Prozent eingeführt werden. Für Firmenerben, welche die Steuer »nicht sofort bezahlen können«, soll es eine Stundungsregelung geben, damit »die Investitionsmöglichkeiten des Unternehmens« nicht eingeschränkt werden. Reiche Firmendynastien könnten mit diesem Konzept wohl gut leben. Im Abschlussbericht der grünen Koordinierungsgruppe ist dieser Punkt aber als strittig markiert. Parteilinken reicht das Konzept nicht aus.

Der Flügelstreit um die Steuerpolitik schwelt schon seit Jahren. 2013 hatten die Parteilinken ein Wahlprogramm mit moderaten Umverteilungsforderungen durchgesetzt. Nach der Bundestagswahl erklärten die Realos die geplanten Steuererhöhungen als Ursache für das schwache Abschneiden der Grünen. Auch der linke Flügel will die eigene Klientel nun steuerlich schonen. Die Partei ist sich einig, dass sie Single-Einkommen nicht mehr ab 60 000 Euro im Jahr höher besteuern will, sondern erst ab 100 000 Euro. Genaueres hierzu erfährt man im Papier der Grünen allerdings nicht. Hier heißt es lediglich, dass ab 2017 eine Anpassung des Grundfreibetrags notwendig sei. Dieser stellt sicher, dass das zur Bestreitung des Existenzminimums nötige Einkommen nicht durch Steuern gemindert wird. Als Gegenfinanzierung wollen die Grünen eine »Erhöhung und stärkere Differenzierung des Spitzensteuersatzes im Sinne einer höheren Reichenbesteuerung«. Details zur Erhöhung des Spitzensteuersatzes bleiben unklar.

Für den Abbau des Ehegattensplittings, mit dem Ehepaare mit ungleichen Einkommen Steuern sparen, haben die Grünen ebenfalls noch kein Konzept. In der Partei werden drei Varianten debattiert. Zum einen könnte das neue Recht schrittweise über zehn bis 15 Jahre für alle eingeführt werden. Nach der zweiten und dritten Variante sollen Paare, die vor oder nach der Reform geheiratet oder sich verpartnert haben, unterschiedlich behandelt werden. Die Grünen kritisieren, dass das Ehegattensplitting Ehen und nicht Familien fördert. Steuervorteile würden ungeachtet der Frage gewährt, ob Kinder da sind oder nicht. Zudem begünstige es hohe Einkommen und verfestige Ungleichheiten. Denn die Steuerersparnis wächst, je höher das Einkommensgefälle zwischen Mann und Frau ist.

Ihre Streitigkeiten in der Steuerpolitik wollen die Grünen bis zu ihrem nächsten Parteitag Mitte November in Münster beilegen. Aus wahltaktischen Gründen werden die Grünen auf jeden Fall vor der Bundestagswahl 2017 eher die von ihnen favorisierten Projekte wie den Ausbau der Infrastruktur betonen als die dafür notwendigen Steuererhöhungen. »Wir wollen keinen Steuer- und Finanzwahlkampf«, erklärte Simone Peter. Ansonsten würden viele Besserverdienende der Partei wohl erneut misstrauen. Kommentar Seite 4

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