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Olympiafußball – für die Männer nur ein Anhängsel

Während Silvia Neid bei der Vorbereitung auf Rio nichts dem Zufall überlässt, muss Horst Hrubesch um seine U21-Schüler in der Liga betteln

  • Frank Hellmann, 
Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.
Während die Frauen-Nationalelf ihr drittes Trainingslager für das Olympische Fußballturnier abhält, fährt die Männerauswahl vor Rio ein Schmalspurprogramm. Die Stars werden ohnehin fehlen.

Täglich wird bei Melanie Leupolz oder Alexandra Popp der CK-Wert bestimmt. Auch der VO2max der Fußballnationalspielerinnen ist längst ermittelt. Untersuchungen zur Creatin-Kinase (CK) oder zur maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) gehören zur obligatorischen Leistungsdiagnostik bei der Frauen-Nationalmannschaft. Im bayerischen Bad Gögging, wo der erweiterte Kader mit 26 Spielerinnen gerade seinen dritten Vorbereitungslehrgang absolviert, geht es neben Fitnesseinheiten auch schon um fußballerische Feinheiten. Mit einer »Hi-Pod-Kamera« werden die Trainingseinheiten gefilmt, um Rückschlüsse auf Laufleistungen und Laufwege zu gewinnen. Das Olympische Fußballturnier in Rio de Janeiro (3. bis 20.August) ist für Silvia Neid die letzte Mission als Bundestrainerin. Dabei will sie nichts dem Zufall überlassen. Nach drei Bronzemedaillen (2000, 2004 und 2008) soll es dieses Mal Gold werden. Das würde ihre elfjährige Amtszeit veredeln.

Neid wird an diesem Donnerstag ihr 18er-Aufgebot mit weiteren vier Spielerinnen auf Abruf benennen. »Alle Mädels ziehen mit. Das macht die Entscheidung für mich immer schwerer«, so die 51-Jährige.
Dennoch plagen sie im Vergleich zum Kollegen Horst Hrubesch nur Luxusprobleme. Der U21-Nationaltrainer der Männer hat hinter den Kulissen mit außerordentlichem Fingerspitzengefühl agieren müssen, um einen Kader zusammenzustellen, der in erster Linie trotzdem nur eine Kompromisslösung darstellen wird.

Der Reiz der Ringe steht bei den Männern hinter vielem zurück. Mahmoud Dahoud erhält von Borussia Mönchengladbach wegen der anstehenden Champions-League-Qualifikation keine Freigabe, Wolfsburgs Maximilian Arnold ist krank, Kevin Volland (Bayer Leverkusen) und Timo Werner (Leipzig) wollen sich nach ihren Vereinswechseln lieber in den neuen Klubs integrieren. Leroy Sané (Schalke), Julian Weigl (Dortmund) und Jonathan Tah (Leverkusen) werden ebenfalls nicht nach Rio fahren, obwohl sie bei der EM in Frankreich kaum oder gar nicht im Einsatz waren. Bestätigt ist nur, dass der von Löw noch vor der EM aussortierte Julian Brandt die Olympiamannschaft anführen soll. Ansonsten herrscht reichlich Rätselraten, auch weil kein Klub mehr als zwei Spieler abstellen will.

Hrubesch nimmt diese Hindernisse dennoch recht gelassen – auch der 65-Jährige gibt seinen Job nach Olympia ab. Spielberechtigt bei ihm sind Akteure, die nach dem 1. Januar 1993 geboren sind. Dazu kommen maximal drei ältere Akteure. Dafür sind die 27 Jahre alten Zwillinge Sven und Lars Bender im Gespräch, die im A-Nationalteam keine Rolle mehr spielen.

Für das von Sportdirektor Hansi Flick formulierte Ziel, »den deutschen Fußball bei den Olympischen Spielen würdig zu vertreten«, ist es zudem kaum förderlich, dass sich die männlichen Kicker wie Schüler vor einer Klassenfahrt sammeln werden. Zwischen Frauen und Männern kristallisiert sich dabei der größtmögliche Gegensatz heraus. Während die einen fieberhaft auf den absoluten Höhepunkt in diesem Länderspieljahr hinarbeiten, werden die anderen von Teilen der Liga nur als lästiges Anhängsel betrachtet: Rasch hin und schnell wieder heim.

»Ich habe bei diesem Turnier überhaupt keine echte Vorbereitung«, sagte Hrubesch vor Kurzem. Nach der Einkleidung am 25. Juli beim DOSB in Hannover gibt es ab dem 28. Juli eine gerade mal dreitägige gemeinsame Trainingsphase in Frankfurt am Main, ehe am 30. Juli der Abflug nach Salvador erfolgt, wo schon am 4. August das erste Gruppenspiel gegen Mexiko ansteht. Weitere Gegner sind Südkorea und die Fidschi Inseln, zweiter Spielort ist Belo Horizonte. Die Frauen sind jeweils einen Tag früher dran: Abflug am 29. Juli nach Sao Paulo, erstes Gruppenspiel gegen Simbabwe (3. August). Weitere Gegner sind Australien und Kanada. Ihr zweiter Spielort ist die Hauptstadt Brasilia.

Für Fußballer wie Fußballerinnen gilt: Um überhaupt etwas vom Zuckerhut in Rio zu sehen und vom Flair der eigentlichen Olympiastadt etwas mitzubekommen, ist mindestens die Halbfinalteilnahme notwendig. Sonst bleiben womöglich nur eine lange Reise und Eindrücke von den Spielorten der WM 2014 in Erinnerung. Der Spielplan ist für die Frauen übrigens ungleich schwieriger als für die Männer: Bereits im Viertelfinale ist ein Duell mit Olympiasieger und Weltmeister USA möglich. Da kann die Vorbereitung gar nicht akribisch genug sein.

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