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Neue Saison, alter Streit: Wenn Stadionverbote, dann richtig
Gegen den Willen der Politik, eine neue zentrale Kommission zu installieren, wehren sich Fanvertretungen mit guten Argumenten
Es ist ein Thema, von dem immer zu hören ist, wenn sich die Innen- und Sportminister der Länder treffen: Gefordert wird dann stets eine Zentrale Stadionverbotskommission, die beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) angegliedert werden soll. Zum ersten Mal wurde das nach dem Münchner Sicherheitsgipfel im vergangenen Jahr thematisiert, als sich schließlich auch der DFB und die Deutsche Fußball-Liga die Position der Politik zu eigen machten. Damals war es das einzige einigermaßen handfeste Ergebnis des Treffens, das Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) als »großen Durchbruch« bezeichnete.
Allerdings fliegt solch eine Forderung gleich aus mehreren Gründen unter dem öffentlichen Radar: Weil kaum ein Normalsterblicher weiß, dass es so etwas wie eine Stadionverbotskommission überhaupt gibt. Weil auf den ersten Blick nichts dagegenspricht, diese beim DFB anzusiedeln. Und weil – so viel erschließt sich dann doch vermeintlich von selbst – Stadionverbote nun mal die logische Strafe sind, wenn sich Fußballfans am Spieltag daneben benehmen. Weil aber Stadionverbote genau das nicht sind, ist es gar nicht mal so unwahrscheinlich, dass die Sport- und Innenminister dem gleichen Missverständnis aufsitzen wie der uninformierte Teil der Öffentlichkeit.
Doppelte Bestrafung
Stadionverbote sind laut »Nationalem Konzept Sicherheit und Sport« keine Strafe für vergangenes Fehlverhalten. Dafür gibt es zivilrechtliche Verfahren, die gerade im Fußballkontext oft mit strengen Urteilen enden. Allein deshalb halten viele Fans und Juristen Stadionverbote für eine ungerechte Doppelbestrafung. Dafür gibt es aber auch noch andere Argumente, das wichtigste: Stadionverbote haben ein präventive Funktion. Das Kriterium, ob sie ausgesprochen werden oder nicht, ist die Frage, ob man die entsprechende Person so einschätzt, dass sie auch künftig wieder verhaltensauffällig wird. Doch dafür muss man diese Person erst mal zu Gesicht bekommen, ihr Fragen stellen, Leute aus ihrem Umfeld kennenlernen.
Dieser notwendige, weil nachvollziehbare Ablauf wird derzeit vor Ort bei den jeweiligen Klubs vollzogen. Und das, befürchten Juristen und die vielen Sozialarbeiter im Fußball, wird nicht mehr passieren können, wenn künftig eine zentrale Kommission in Frankfurt am Main nach Aktenlage entscheidet. Und das womöglich noch in einem politischen Klima, in dem Stadionverbote mit gerechten Strafen für Fehlverhalten verwechselt werden.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) der sozialpädagogisch tätigen Fanprojekte hat bereits vor Monaten eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die diese Pläne der Politik kritisiert. Man dürfe »die Beziehungsarbeit« vor Ort »nicht aufs Spiel setzen«, heißt es. Zudem hätten die Klubs mit ihrer eigenen Fanarbeit auch schlicht die besseren Einblicke – und nicht zuletzt natürlich ein starkes Eigeninteresse an einem friedlichen Stadionerlebnis. Als Kompromissvorschlag an die Politik können sich die Sozialpädagogen eine beim DFB angesiedelte »Ombudsstelle« vorstellen, »an die sich alle am Prozess beteiligten Personen und Institutionen wenden können«. Also auch die Polizei, sofern sie irgendwo den Eindruck hat, dass an einem Standort die Fans etwas zu gut wegkommen würden.
Einfache Fehlerquellen
An dem BAG-Papier mitgewirkt hat auch Christian Kabs. Der Mitarbeiter des Dresdner Fanprojekts war schon bei vielen Anhörungen zu Stadionverboten in beratender Funktion dabei. Er kann sich nicht vorstellen, wie man eine Person beurteilen soll, ohne sie vorher angehört zu haben. Natürlich gebe es auch Fälle, bei denen er diese harte Strafe für angebracht hält – aber erst, nachdem man sich mit Situation und Täter ausführlich befasst habe. Und er nennt einfache Fehlerquellen: »Einmal konnte jemand nachweisen, dass er schlicht verwechselt wurde. Er war während der vermeintlichen Tatzeit auf einer Fernreise.«
Viele Dinge lassen sich vor Ort besser und pragmatisch klären – zumindest bei gutem Willen aller Beteiligten. »Wir hatten mal den Fall eines Jugendlichen, der in seinem Frust ein Bäumchen umgeknickt hatte«, erinnert sich Kabs. »Der hat sich aber von sich aus entschuldigt und vorgeschlagen, er könne doch einen neuen Baum pflanzen.« Gute Idee, fand nicht nur das Dresdener Fanprojekt. Das Stadionverbot kassierte der junge Fan aber trotzdem.
Kabs treiben zudem rechtsstaatliche Bedenken um. »Dass es ein Ermittlungsverfahren der Polizei gibt, ist noch lange kein Urteil.« Es gelte die Unschuldsvermutung. Ob all das mitbedacht worden ist bei der so unverfänglich klingenden Forderung nach einer Zentralen Stadionverbotskommission? Kabs hat da so seine Zweifel: »Wir haben jedenfalls das Gefühl, dass die Politik an der Stelle nicht gut beraten wurde.«
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