»Aktionär werden« ist auch keine Lösung

Squeeze-out: Wie die Kleinen »ausgequetscht« werden

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Angesichts niedriger Zinssätze und steigender Börsenkurse kaufen Kleinanleger wieder vermehrt Aktien. Die mögliche höhere Rendite gegenüber sicheren Geldanlagen wird mit einem höheren Risiko erkauft.

Ein oft übersehenes Risiko ärgert Kleinaktionäre der Analytik Jena AG. Das Unternehmen beschäftigt kaum mehr als tausend Menschen. Nach der Übernahme durch den Schweizer Konzern Endress + Hauser fühlen sich Kleinaktionäre »enteignet«. Der Vorwurf: Durch einen sogenannten Squeeze-out konnte der Großaktionär bei der Übernahme der ostdeutschen Aktiengesellschaft lästige Minderheitsaktionäre leicht ausbooten.

Noch nie gehört: Squeeze-out?

Auf Deutsch steht der Begriff aus dem Aktienrecht für »Ausquetschen«. Aus Sicht der Minderheitsaktionäre trifft es das genau: Bei einem Squeeze-out nimmt ein Mehrheitsaktionär sein Recht wahr, Minderheitsaktionäre aus einer Aktiengesellschaft auszuschließen. Dazu verpflichtet er sie, ihm ihre Anteile abzutreten. Gegen eine Barabfindung. Am Ende gehört dem Mehrheitsaktionär alles.

Muss der Großaktionär eine gewisse Quote erfüllen?

Das Aktiengesetz ermöglicht einem Aktionär das »Ausquetschen«, wenn er direkt oder über ein von ihm abhängiges Unternehmen mindestens 95 Prozent hält. Unter bestimmten Umständen (»übernahmerechtliches Squeeze-out«) genügt ihm sogar eine Quote von 90 Prozent des Grundkapitals.

»Grundkapital« - was ist das?

Das Grundkapital ist das nominelle Kapital einer AG - der Nennwert einer Aktie gibt an, mit welchem Betrag der Aktionär am Grundkapital eines Unternehmens beteiligt ist.

Welchen Preis muss ein Großaktionär pro Aktie zahlen?

Das ist im Einzelfall umstritten und kann auch zu Klagen führen. Das Aktiengesetz (§ 327a) schreibt eine »angemessene« Barabfindung vor, die sich nach dem Börsenkurs richten sollte, der vor Bekanntwerden der Übernahmeabsicht notiert war.

Warum hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung das Aktiengesetz geändert?

Bis 2002 war ein Squeeze-out in Deutschland verboten. Es führte selbst bei freundlichen Übernahmen - also von beiden Unternehmen mehrheitlich gewollt - zu hohen Ablöseforderungen durch einzelne Aktionäre.

Gibt es andere bekannte Fälle?

Beim Verkauf der maroden DAB Bank an die französische BNP Paribas erfolgte 2015 ein Squeeze-out. Andere Fälle: Hypo Real Estate, Allianz, Postbank und die frühere Sachsenmilch. Quasi naturgemäß kommt ein Squeeze-out vornehmlich bei kleineren, wenig bekannten Firmen vor.

Warum machen Unternehmen das?

»Der Hauptgrund ist: Die Übernahmefirmen wollen klare Verhältnisse auf der Aktionärsseite, um Querschläger auszuschließen«, sagt der linke Kapitalmarktexperte und frühere Allianz-Aufsichtsrat Rudolf Hickel. Es gehe um »eine eigentumsrechtliche Straffung«, um den direkten Draht zu allen wichtigen Entscheidungen. Kleinaktionäre und ihre Auftritte auf den Hauptversammlungen werden von vielen Managern als lästige Störung empfunden.

Gibt es Kritik aus der Wissenschaft?

Ja. Ordnungspolitisch hält etwa Rudolf Hickel den Squeeze-out für »einen Schlag ins Gesicht der Kleinaktionäre«. Die hätten aber angesichts der überwältigenden Mehrheitsverhältnisse eh kaum etwas zu sagen. Es finde eine Enteignung vom Aktientitel statt. So werde auch eine breite Streuung des Aktienkapitals verhindert.

Sehen Aktionärsvertreter den Squeeze-out kritisch?

Ja. »Grundsätzlich wäre es uns natürlich lieber, Großaktionäre hätten nicht die Möglichkeit, die restlichen Aktionäre mittels Squeeze-out aus dem Unternehmen zu werfen«, sagt ein Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Da aber eine angemessene Abfindung geboten werden muss, sei das »wohl hinnehmbar«.

Was bedeutet das Squeeze-out-Risiko für Kleinanleger?

Sie sollten bei jeder Anlageentscheidung das Risiko eines Squeeze-out berücksichtigen. Einzelne Aktientitel sind grundsätzlich für Amateure (zu) riskant. Legen Sie nur ihr »Spielgeld« in solche Wertpapiere und andere risikoreiche Finanzprodukte an. Streuen Sie ihre Risiken breit. Wer unbedingt in Aktien und damit in die weitere Rationalisierung des Kapitalismus »investieren« will, sollte sein Geld in Fonds oder Zertifikaten anlegen. Diese haben einen breiten Anlagehorizont und bilden beispielsweise den ganzen deutschen Aktienindex DAX ab.

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