Der Hack des Jahrhunderts

Die TV-Serie «Mr. Robot»

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

So sieht also die Revolution aus: Menschen in teuren Anzügen laufen aufgeregt hin und her - so hatte ich mir das nicht vorgestellt.« Der genialische Computerhacker mit den ernsten psychologischen Problemen ist ein bisschen enttäuscht. Schließlich hat Elliot Alderson (Rami Malek) die erste Staffel der so innovativen wie paranoiden Cyber-Thriller-Serie »Mr. Robot« damit zugebracht, mit seiner Hackergruppe F-Society den ultimativen Cyberangriff zu planen und am Ende tatsächlich auszuführen: Durch die Löschung der Speicher des Megakonzerns E-Corp sind über Nacht 70 Prozent der weltweit dokumentierten Schulden verschwunden. Doch der Triumph über den Weltkapitalismus wandelt sich augenblicklich in eine sich ausbreitende Anarchie, die von den immer noch tonangebenden Eliten sofort für die eigene Agenda ausgeschlachtet wird. »Warum fühlt es sich so an, als würden sie schon wieder gewinnen?«, spricht ein F-Society-Mitglied schließlich aus, was alle denken.

Die erste Staffel von »Mr. Robot« war die fast einhellig gelobte Serienüberraschung des letzten Jahres: Vor allem Hauptdarsteller Rami Malek spielt mit einer ungewöhnlichen und packenden Mischung aus furchteinflößender Kompetenz und Mitleid erregender Verletzlichkeit. Er gibt den hochbegabten, aber schizophrenen, Morphiumsüchtigen und sozial komplett inkompetenten Mitarbeiter einer Cybersicherheitsfirma, deren größter Kunde jener skrupellose Weltkonzern E-Corp ist. Eines Tages wird der höchst labile Elliot vom so mysteriösen wie zupackenden Mr. Robot (Christian Slater) rekrutiert, dem Anführer der von »Anonymous« inspirierten, anarchistischen Organisation F-Society.

Die erste Staffel von »Mr. Robot« ist auf der persönlichen Ebene rätselhaft, versponnen und düster, auf der Thrillerebene ist sie ziemlich spannend (wenn auch hier und da unglaubwürdig). Und jene zehn Folgen zeichnen ein finsteres und krankes, von kriminellen privaten Finanzkonzernen dominiertes Gesellschaftsbild, das durch die desillusionierten Kommentare Elliots noch schwärzer wirkt. Und das ist das wirklich Besondere an dieser Produktion: die ausschweifenden inneren Monologe Elliots - voller Philosophie, Zweifel und Wahnsinn -, die gefühlt die Hälfte der Serienzeit füllen. Dazu kommt die ungewöhnliche Grundästhetik: »Alles in dieser Serie sieht aus, als würden wir es durch den Schleier eines abklingenden MDMA-Trips betrachten«, beschreibt der »Guardian« treffend die schräge, teils zähe, insgesamt aber verführerische Mischung.

Von der mysteriösen ersten Staffel, in der kaum etwas so ist, wie es zunächst scheint, soll hier nicht mehr verraten werden, als dass der Hack des Jahrhunderts tatsächlich umgesetzt wird - wie, von wem und warum, sollte man sich selber ansehen. Die zweite, seit diesem Sommer verfügbare Staffel setzt direkt danach ein: mit dem zwischen Euphorie und Panik schwankenden Blick der Hacktivisten auf ihren »Triumph«, von dem man noch nicht sagen kann, ob er die Welt besser machen oder sie endgültig ins blutige (und restlos diktatorische) Chaos stürzen wird.

Elliot bekommt davon zunächst wenig mit: Zumindest in den ersten Folgen der neuen Staffel versucht er ausschließlich, seine Computersucht und seine inneren Dämonen unter Kontrolle zu bringen. Das ist noch immer spleenig und originell gemacht. Aber die sehr langsame Herangehensweise und die plötzliche Dominanz des Psychologischen über Handlung und Spannung strapaziert die Geduld (zu Staffelbeginn) dann doch gehörig. Trotzdem sollte man der Serie Zeit geben, sich zu entwickeln: Die Macher haben bewiesen, dass sie diese Chance verdient haben.

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