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Südafrikas Studenten protestieren zum wiederholten Male gegen erneute Gebührenerhöhung

  • Christian Selz
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Studentenproteste in Südafrika sind neu entflammt und dabei geht auch manches Gebäude in Flammen auf. Inzwischen haben sich die Proteste auf etliche Universitäten ausgeweitet, nach Johannesburg wurde auch in Kapstadt, Port Elizabeth und Bloemfontein der Lehrbetrieb vorübergehend eingestellt.

Auseinandersetzungen wie unlängst in der Witwatersrand-Universität in Johannesburg sind nahezu an der Tagesordnung. Dort drängte die Polizei die Studenten zunächst von einer Straße zurück auf den Campus. Wie eine Reporterin des »Mail & Guardian« berichtete, feuerten Einsatzkräfte anschließend mit Gummigeschossen und Schockgranaten durch das Eingangstor der Hochschule auf die Protestierenden. Bereits tags zuvor hatten sich Studenten und Angehörige des privaten Sicherheitsdienstes auf dem Hauptcampus der Universität mit Steinen beworfen. Medienberichten zufolge wurden mehrere Studenten und Journalisten verletzt und an beiden Tagen Dutzende Studenten verhaftet.

Eskaliert war die Lage nach einer Pressekonferenz des für Hochschulbildung zuständigen Ministers Blade Nzimande am Montag in der Hauptstadt Pretoria. Nzimande empfahl den Universitäten des Landes ihre Studiengebühren um bis zu acht Prozent zu erhöhen. Auf die Forderung der Studenten, Gebühren abzuschaffen, ging der Minister, der gleichzeitig Generalsekretär der in einer Allianz mit dem African National Congress (ANC) und dem Gewerkschaftsbund Congress of South African Trade Unions (Cosatu) regierenden South African Communist Party (SACP) ist, nicht ein. Stattdessen stellte er Zuschüsse für Studenten aus Elternhäusern mit einem jährlichen Haushaltseinkommen von unter 600 000 Rand (knapp 39 000 Euro) in Aussicht. Davon wären seiner Schätzung zufolge 70 bis 80 Prozent der derzeit Eingeschriebenen betroffen. Die staatliche Leistung soll aber lediglich die nun vorgeschlagene Erhöhung ausgleichen, die bisherigen Gebühren müssen die Studenten den Plänen zufolge weiter selbst tragen. Stipendien gibt es nur für Studenten aus den ärmsten Haushalten, allerdings decken diese kaum den Lebensunterhalt, weshalb an vielen Universitäten bereits Suppenküchen eingerichtet worden sind und Studenten in Slums leben. Gerade an den ärmeren ländlichen Universitäten brechen mehr als die Hälfte der Studienanfänger vor dem Abschluss ab, die meisten aus Geldnot.

Südafrikas Regierung sitzt in einer Zwickmühle. Zum einen benötigen die Universitäten aufgrund der Schwäche des südafrikanischen Rands und der einhergehenden Inflation dringend höhere Budgets. Zum anderen ist die Staatskasse infolge der Wirtschaftskrise leer. Nzimande konnte nicht einmal darlegen, wie seine geplante Bezuschussung der Studiengebühren finanziert werden soll. Einen Teil will er sich nun in wohlhabenden Elternhäusern holen: »Wir können nicht zulassen, dass unsere Universitäten zerstört werden, damit die Reichen keine Gebührenerhöhung bezahlen müssen«, argumentiert der Hochschulbildungsminister.

Doch die hohe Belastung für ärmere Studenten bleibt. »Wir konnten uns diese Gebühren 2015 nicht leisten und wir können sie uns heute immer noch nicht leisten«, heißt es in einer Stellungnahme des Studierendenrats der Witwatersrand-Universität. Schon vor einem Jahr hatten Studenten landesweit wochenlang gegen geplante Gebührenerhöhungen protestiert. Unterstützung bekommen sie nun auch aus den Universitäten selbst. In Kapstadt rief die Führung der medizinischen Fakultät die Studenten landesweit zu Protesten auf. Und an der Universität Johannesburg, der zweiten großen Hochschule der Stadt, meldete sich der Leiter des Zentrums für Bildungsrechte und gesellschaftlichen Wandel, Salim Vally, zu Wort. Der Professor wies darauf hin, dass Südafrika selbst im Vergleich zu anderen Ländern auf dem Kontinent einen unterdurchschnittlich niedrigen Teil seines Bruttosozialprodukts (BSP) in seine Hochschulen investiere. Während Ghana oder Senegal 1,4 Prozent ihres BSP für Hochschulbildung ausgeben, sind es demnach in Südafrika nur 0,75 Prozent. Gebührenfreies Studieren sei möglich, wenn die Steuern für die Superreichen im Land angehoben werden würden, schrieb Vally zusammen mit weiteren Akademikern in einem Beitrag für das Portal »The Conversation«. Doch derlei Pläne erwägt Nzimande nicht einmal. Für den studentischen Marsch am 14. Oktober birgt das Zündstoff. Der fordert Gebührenfreiheit und hat die Unterstützung von COSATU.

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