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Bundeshaushalt: Reiche müssen nicht in die Kriegskasse einzahlen
Der Bund plant 2026 noch keine Sozialkürzungen. Angesichts der Steuergeschenke für die Wirtschaft sind sie aber absehbar
Die einschlägigen TV-Experten prophezeihen angesichts der enorm gewachsenen staatlichen Nachfrage nach Rüstungsgütern einen saftigen Aufschwung. Die Aufrüstung generiere schließlich viele neue und gut bezahlte Jobs und kurbele damit den Konsum an. Was wiederum zu Wachstum in der zivilen Wirtschaft führe.
Doch so sicher ist das nicht, zumal der Staat Aufrüstung wie Infrastrukturertüchtigung – auch hier stehen Projekte im Mittelpunkt, die die »Kriegstüchtigkeit« stärken – zum allergrößten Teil über Kredite finanzieren und in vielen anderen Bereichen kürzen will. Letzteres könnte die Kaufkraft wiederum senken. Eine höhere Besteuerung der größten Vermögen oder gar der Unternehmensgewinne – die die Kreditbelastung des Bundes senken könnte – ist zugleich nicht geplant. Im Gegenteil: Für letztere gibt es weitere Steuergeschenke, genannt »Investitionsbooster«.
Derweil geben Regierungsberaterinnen wie die »Wirtschaftsweise« Veronika Grimm schon mal Hinweise, wo der Staat sparen müsse. »Wir brauchen in der Renten-, Pflege- und Krankenversicherung mehr Ehrlichkeit darüber, welche Leistungen wir uns wirklich leisten können und welche nicht«, sagte die Ökonomin am Sonntag. Das bedeute, »dass wir mitunter Leistungen werden kürzen müssen«. Aus ihrer Sicht ist die Beibehaltung des aktuellen Rentenniveaus ebensowenig finanzierbar wie die Pflege.
»Die Kürzungen bei Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe gefährden Millionen Menschenleben.«
Dagmar Puin Präsidentin Brot für die Welt
Die SPD wehrt sich momentan verbal noch gegen eine solche »neoliberale« Sicht, wie es Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese nennt. Ein »funktionierender Sozialstaat« sei ein wichtiger Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft, betonte er. Allerdings hat die Koalition von Union und SPD bereits die Einrichtung einer Kommission zur »Reform« des Sozialstaats geplant. Die dürfte in jedem Fall auf dessen Reduzierung hinauslaufen. Bereits eingesetzt ist eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter der Leitung von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU), die an Vorschlägen für eine Reform der Pflegeversicherung arbeitet. Hintergrund sind erhebliche Defizite der Pflegekassen.
Auch die Krankenkassen haben hohe Defizite. Der Bund unterstützt sie laut Haushaltsentwurf für das laufende Jahr mit einem Darlehen von 2,3 Milliarden Euro, zudem soll ein früheres Darlehen von einer Milliarde Euro später zurückgezahlt werden müssen. Doch selbst dieser Etat wird erst nach der Sommerpause vom Parlament beschlossen.
2026 wird es wohl kein weiteres Darlehen vom Bund geben. Warken und die Krankenkassen hatten dies gefordert. Anderenfalls sei eine weitere Beitragserhöhung im kommenden Jahr unabwendbar. Klingbeil verwies demgegenüber auf die erwarteten Ergebnisse der Reformkommissionen. Das Gremium zur Krankenversicherung soll laut Koalitionsvertrag allerdings erst im Frühjahr 2027 seine Ideen vorlegen.
Den Etatentwurf für das kommende Jahr hatte Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) am 30. Juli vorgelegt. Er läutet eine nie dagewesene Staatsverschuldung ein, mit der vor allem die Aufrüstung und Investitionen in die Infrastruktur finanziert werden soll. Während für Investitionsvorhaben bei Straße, Schiene, Schulen und Co. ein kreditfinanziertes Sondervermögen beschlossen wurde, hob der alte Bundestag für den Bereich Verteidigung die Schuldenbremse im Grundgesetz auf.
Nach Angaben von Klingbeil ist es »oberstes Ziel« der Bundesregierung, »Arbeitsplätze zu sichern und für neue wirtschaftliche Stärke zu sorgen«. Zugleich sei für die Folgejahre aber ein »strikter Sparkurs« notwendig. Denn, so der SPD-Chef, gerade der Haushalt 2027 werde die Regierung massiv fordern, sagte Klingbeil. Allein darin sei eine Finanzierungslücke von 30 Milliarden Euro zu schließen.
Für das kommende Jahr plant der Bund Ausgaben von 520,5 Milliarden Euro (plus 3,5 Prozent). Die Investitionen sollen im nächsten Jahr auf 126,7 Milliarden Euro erhöht werden. Geplant sind zum Beispiel die Sanierung von Brücken und Bahnstrecken, eine stärkere Digitalisierung sowie mehr Geld für Bildung. Der Bund will dafür neue Schulden von 174 Milliarden Euro aufnehmen, darunter sind 89,9 Milliarden Euro in den Kernhaushalt integriert. 84,4 Milliarden Euro kommen aus den Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz und für die Bundeswehr.
Derweil soll beim Bürgergeld gespart werden. Dies, obwohl die Ausgaben dafür 2024 um vier Milliarden auf 47 Milliarden Euro gestiegen waren und durch Sanktionen gegen »Verweigerer« laut Bundesarbeitsministerium bestenfalls Einsparungen in zweistelliger Millionenhöhe möglich sind. Dennoch sind für das laufende Jahr nur 42,5 Milliarden und für 2026 noch 41 Milliarden Euro dafür veranschlagt. Die geplanten Minderausgaben basieren vor allem auf der Hoffnung, dass sich der Arbeitsmarkt belebt.
An Verteidigungsausgaben sind 2026 demgegenüber insgesamt rund 128 Milliarden Euro geplant, wovon 82,7 Milliarden über den regulären Wehretat laufen. Zum Vergleich: 2024 betrugen die Verteidigungsausgaben inklusive Mitteln aus dem Sondervermögen Bundeswehr noch 72 Milliarden Euro.
Mehr Ausgaben sind 2026 und in den Folgejahren auch bei Fördermitteln für sozialen Wohnungsbau und für Kitas, die Fortführung des Deutschlandtickets im Nahverkehr vorgesehen. Mindereinnahmen sind infolge der Anhebung der Pendlerpauschale auf 38 Cent bereits ab dem ersten Kilometer eingepreist. Dasselbe gilt für die Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen im Restaurant von 19 auf sieben Prozent. Steuerausfälle der Länder durch Senkung der Gastro-Steuer und Erhöhung der Pendlerpauschale wird der Bund nicht ausgleichen, stellte Klingbeil klar.
Die für 2026 vorgesehenen Kürzungen bei Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe – diese Etats werden das dritte Mal in Folge stark reduziert – sind von Hilfsorganisationen kritisiert worden. Die Präsidentin von Brot für die Welt, Dagmar Puin erklärte, die erneuten Kürzungen gefährdeten »Millionen Menschenleben«. Die Erfolge der vergangenen Jahrzehnte bei Armutsbekämpfung, der Ernährungssicherheit und insbesondere der Gesundheitsversorgung stünden auf dem Spiel. Für 2026 soll das Entwicklungsministerium 9,9 Milliarden Euro erhalten, im laufenden Jahr 10,3 Milliarden. Im vergangenen Jahr hatte es noch über 11,2 Milliarden verfügen können.
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