Werbung

Der Kohl- Honecker-Deal

Von Klio angemerkt

  • Jörg Roesler
  • Lesedauer: 2 Min.

1986 nahm die Zahl der in die Bundesrepublik vor allem aus asiatischen und afrikanischen Staaten eingereisten Asylbewerber signifikant zu. Sie bildeten Schlangen vor den Einreisebehörden. In den Kommunen mussten Turnhallen für die provisorische Unterbringung von Asylbewerbern freigemacht werden. Die »Fremden« erregten Unmut in der Bevölkerung. Der begann auch die Regierung zu treffen. Helmut Kohl musste noch vor den Bundestagswahlen im Januar 1987 handeln.

Rechtlich konnte der Kanzler gegen die Zuwanderung kaum vorgehen. Die Bundesrepublik hatte 1949, sich auf die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen berufend, im Grundgesetz das Recht auf Asyl verankert - wie übrigens die DDR in ihrer Verfassung auch. Regelungen über »sichere Herkunftsländer« gab es damals noch nicht.

Die vermehrte Einreise von Asylbewerbern ergab sich aus der neuen Möglichkeit, relativ unkompliziert aus der Dritten Welt in das westdeutsche Wirtschaftswunderland zu gelangen - über die »Schönefeld-Route«. Der DDR-Flughafen hatte sich zu einem internationalen Dreh- und Angelpunkt gemausert. Westberliner, die billiger fliegen wollten als von Tegel oder Tempelhof, wurden zum Terminal C des Schönefelder Airports, der eigens für Transitpassagiere von und nach Westberlin eingerichtet worden war, per Bus und von der Volkspolizei abgeschirmt, gefahren. Ebenso ging es zum Grenzübergang wieder zurück. Seit 1985 konnten so auch Ausländer leicht von Schönefeld nach Westberlin gelangen. Dieser rasche und vergleichsweise billige Weg über Westberlin in die Bundesrepublik hatte sich in südlichen Ländern offensichtlich schnell herumgesprochen. Die Zahl der einreisenden Ausländer verdoppelte sich 1985 gegenüber dem Vorjahr. In der ersten Hälfte des Jahres 1986 stieg die Zahl der Asylbewerber in der Bundesrepublik auf 10 000 pro Monat, von denen die meisten über Schönefeld eingereist waren.

Im Bundeskanzleramt läuteten die Alarmglocken. Kohl sprach am 26. Juni von einem »unerträglichen Zustand«. Es sei »alles andere als ein freundlicher Akt«, dass die DDR »Wirtschaftsasylanten« ungehindert nach Wert-Berlin einreisen lasse. Die DDR-Regierung, seit Anfang der 80er Jahre politisch in einer »Verantwortungsgemeinschaft« mit Bonn verbunden und wirtschaftlich intensiv mit dem anderen deutschen Staat kooperierend, wovon u. a. die »Strauß-Kredite« Zeugnis ablegten, gab dem auf sie ausgeübten Druck in der »Asylantenfrage« zum 1. Oktober nach und schloss die Route für Ausländer. Daraufhin halbierte sich im Jahresdurchschnitt 1987 die Zahl der Asylbewerber in der Bundesrepublik. Der Deal zahlte sich auch für Erich Honecker aus. Kohl, im Januar wiedergewählt, empfing ihn im September 1987 in der Bundesrepublik »mit allen protokollarischen Ehren«. Jörg Roesler

- Anzeige -

Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.

Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen

Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.

Mehr aus: