Böhmermanns »Schmähgedicht« nicht strafbar
Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen TV-Satiriker ein / Privatklage Erdogans kommt im November vor Gericht
Mainz. Die Ermittlungen gegen ZDF-Moderator Jan Böhmermann wegen dessen »Schmähgedicht« über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sind eingestellt worden. Wie die Staatsanwaltschaft Mainz am Dienstag mitteilte, sind »strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen«.
Der TV-Satiriker und Grimme-Preisträger Böhmermann hatte sein Gedicht »Schmähkritik« Ende März in seiner Sendung »Neo Magazin Royale« vorgetragen. Er wollte damit nach eigenen Angaben den Unterschied zwischen in Deutschland erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik aufzeigen. Der Text transportierte Klischees über die türkische Kultur und handelt unter anderem von Sex mit Ziegen sowie von Kinderpornografie. Die Mainzer Ermittlungen wurden möglich, nachdem die Bundesregierung eine Ermächtigung wegen des Strafverlangens der türkischen Regierung erteilt hatte.
Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Verdachts auf Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts. Allerdings soll eine Privatklage Erdogans gegen Böhmermann noch am 2. November in Hamburg vor Gericht kommen.
Anwalt kritisiert Merkel: Verletzung der Gewaltenteilung
Nach der Einstellung des Strafverfahrens gegen Jan Böhmermann hat der Anwalt des TV-Satirikers Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisiert. »Die Staatsanwaltschaft hat unserer von Anfang an geäußerten Einschätzung der Rechtslage entsprochen«, teilte Schertz am Dienstag mit. Die öffentliche juristische Bewertung der künstlerischen Arbeit von Jan Böhmermann durch die Bundeskanzlerin sei vor dem Hintergrund der Einstellung der Ermittlungen umso mehr nicht nur eine Kompetenzüberschreitung und eine nicht hinzunehmende Verletzung der verfassungsgemäßem Gewaltenteilung, sondern sei einer öffentlichen Vorverurteilung gleichgekommen. Sie wiege umso schwerer, als dass sie von der türkischen Regierung als Ermutigung habe aufgefasst werden können, straf- und zivilrechtlich gegen Böhmermann vorzugehen.
Zugleich kündigte Rechtsanwalt Christian Schertz eine »persönliche Stellungnahme« Böhmermanns am Mittwoch um 16.30 Uhr in Köln an. dpa/nd
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.