Zensur durch die Hintertür?

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.

Jakob Scharf ist Besitzer einer privaten dänischen Sicherheitsfirma und wurde vor einiger Zeit von einem Journalisten gefragt, ob er nicht ein Porträtbuch über ihn schreiben könne. Scharf stimmte zu, denn er hat Geschichten zu erzählen. Nicht über seine Firma, sondern über seine Jahre beim dänischen Geheimdienst der Polizei PET. Dessen Chef war er von 2007 bis 2013. Das war gerade die Zeit, als infolge des Karikaturenstreits die Terrordrohungen gegen Dänemark stark stiegen.

Als der Verlag vor wenigen Tagen die Bucherscheinung annoncierte, reagierte Scharfs ehemaliger Arbeitgeber umgehend. Er reichte eine einstweilige Verfügung ein: Das Buch dürfe nicht erscheinen und sämtliche Exemplare seien zu beschlagnahmen. Der Geheimdienst begründete seinen Schritt damit, dass das Buch Arbeitsmethoden des Geheimdienstes entschleiern könnte, Agenten in Gefahr bringe und und die Zusammenarbeit mit befreundeten Diensten erschwere. Zudem habe man keine Möglichkeit gehabt, das Manuskript vor Erscheinen zu prüfen und eventuell ein Veto einzulegen. Verlag, Autor und der Porträtierte verneinten vehement, dass das Buch sensible Informationen enthalte und wiesen darauf hin, dass man lediglich Materialien verwendet habe, die bereits publiziert und in Gerichtsverhandlungen benutzt worden seien.

Während sich die Juristen beider Seiten sowie des Justizministeriums noch im Clinch miteinander befanden, regte sich bereits ziviler Widerstand. Einzelne Buchhändler begannen, die bereits ausgelieferten Exemplare zu verkaufen. Und am Sonntagmorgen lieferte die linksliberale Tageszeitung »Politiken« das Buch als Extra-Beilage frei Haus an ihre Abonnenten. »Es geht hier um die Pressefreiheit«, schrieb Chefredakteur Christian Jensen am Dienstagabend auf der Website der Zeitung.

Zwar zog der Geheimdienst sein Verbotsersuchen zurück. Doch inzwischen hat er Anzeige erstattet, und Jakob Scharf droht ein Rechtsverfahren, weil er seine Schweigepflicht verletzt haben soll. Justizminister Søren Pind, ein Hardliner und selbsterklärter Sheriff, der Ordnung in das Königreich bringen möchte, erklärte per Facebook, das Vorgehen der Zeitung sei unakzeptabel und eine Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien. Das Ministerium indes hüllt sich in Schweigen, was eventuelle weitere rechtliche Schritte anbelangt.

Im Gefolge des Wirbels um das Buch trat ein anderer ehemaliger PET-Agent mit der Information an die Öffentlichkeit, dass Scharf ihn unter Strafandrohung dazu gedrängt habe, sein fertiges Manuskript über seine Jahre bei der PET-Einsatzgruppe zurückzuziehen. Politiker und Medien diskutieren unterdessen weiter erbittert, ob PET den Paragraf 7 der dänischen Verfassung übertreten hat, der die Meinungsfreiheit deklariert und die Wiedereinführung der Zensur verbietet. Der gleiche Paragraf sagt aber auch, dass nur die Gerichte über Übertretungen von Meinungsäußerungen befinden können. Der Fall Scharf befindet sich in einer Grauzone, und eine Klärung, wo die Grenzen verlaufen, würde allen Seiten dienen.

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