Auf Gold zurückgeschraubt
Tony Martin wird am Ende einer schwachen Saison plötzlich Zeitfahrweltmeister
Mit bangem Blick schaute der völlig entkräftete Tony Martin unter einem Sonnenschirm auf den TV-Monitor, dann sprang er auf und konnte sein Glück kaum fassen. Neun Wochen nach der Olympiaenttäuschung von Rio meldete sich der 31-Jährige in der Hitze von Doha zurück und krönte sich zum vierten Mal zum Zeitfahrweltmeister. Damit zog er mit dem Schweizer Rekordgewinner Fabian Cancellara gleich, der nach dem Olympiasieg in Rio seine glanzvolle Karriere beendet hatte.
»Dieser Titel macht alles vergessen, was bisher in diesem Jahr geschah. In meinem Inneren wusste ich, dass ich Weltmeister werden könnte. Das gibt mir viel Motivation für 2017«, sagte Martin. »Das war ein Kurs für mich, ein bisschen schwierig war nur die Hitze, aber ich hatte mich zu Hause im Training darauf eingestellt.«
Mit weit aufgerissenem Mund hatte Martin nach 44:42 Minuten das Ziel erreicht und die Bestzeit vorgelegt. An diese Paradezeit kam die Konkurrenz nicht mehr heran. Vorjahressieger Wasil Kirijenka aus Belarus wurde mit 45 Sekunden Rückstand Zweiter. Den dritten Platz belegte Spaniens Europameister Jonathan Castroviejo, schon mehr als eine Minute langsamer als der Cottbuser Martin.
Mit diesem Erfolg hatte vor einigen Wochen kaum jemand gerechnet, nachdem Martin auf dem bergigen Kurs von Rio einen für ihn schwachen zwölften Platz mit mehr als drei Minuten Rückstand auf Sieger Cancellara belegt hatte. Eine anschließende Umstellung zahlte sich aber aus. Martin hatte seine Rennmaschine umgerüstet und war zur alten Sitzposition zurückgekehrt, mit der er drei Titel eingefahren hatte.
Dazu hatte er sich speziell auf die Hitze vorbereitet. Zur besseren Akklimatisierung für die Rennen bei Temperaturen bis zu 40 Grad hatte Martin Spezialeinheiten mit dicken Trikots auf der Rolle vor dem Heizlüfter eingelegt. Eine kluge Idee, denn auch am Mittwoch herrschten wieder weit über 30 Grad.
Schon bei der ersten Zwischenzeit hatte Martin knapp vor Kirijenka gelegen. Der Niederländer Tom Dumoulin, den viele Experten als großen Favoriten ausgemacht hatten, lag da schon mehr als 20 Sekunden hinter dem Deutschen, der seinen Vorsprung immer weiter ausbaute. Schon im Mannschaftszeitfahren am Sonntag zum WM-Auftakt hatte Martin alte Klasse bewiesen und sich mit dem Etixx-Team den Titel gesichert.
Der Bund Deutscher Radfahrer beendete die Zeitfahrwettbewerbe mit insgesamt drei Medaillen. Bei den U23-Männern hatten Marco Mathis und Maximilian Schachmann am Montag für einen Doppelerfolg gesorgt. An diesem Donnerstag beginnen in Doha die Straßenrennen, Höhepunkt ist das Männerrennen am Sonntag. Dort hofft die deutsche Mannschaft mal wieder auf Profititel. Es wäre der erste seit dem Triumph von Rudi Altig vor 50 Jahren. dpa/nd
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