Hitlers Geburtshaus vor Abriss

Denkmalschützer kündigen Bedenken zu Abrissplänen von Innenminister Sobotka an

  • Manfred Maurer
  • Lesedauer: 3 Min.

Wien. Schuld sind wieder einmal die Amerikaner. US-Soldaten hatten in den Wirren der letzten Kriegstage einen deutschen Stoßtrupp davon abgehalten, das zu tun, was Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) heute am liebsten täte: Das Haus an der Adresse Salzburger Vorstadt Nummer 15 in Braunau am Inn dem Erdboden gleichmachen. Weil die Amerikaner das Nazi-Sprengkommando in der oberösterreichischen Kleinstadt Anfang Mai 1945 gestoppt hatten, hat die Republik nun ein Problem mit dem Geburtshaus von Adolf Hitler.

Ganz neu ist es nicht. Immer wieder wurde diskutiert, was mit dem Haus, in dem Hitler am 20. April 1889 geboren worden ist, geschehen soll. Bis September 2011 hatte das Gebäude fast 35 Jahre lang eine Werkstatt für Menschen mit Beeinträchtigung beherbergt, was als politische Aussage interpretiert werden konnte. Nur wenige Kilometer entfernt hatten die Nazis in Hartheim behinderte Menschen ermordet.

Seither steht Hitlers Geburtshaus leer. Gerlinde Pommer, die Eigentümerin der brisanten Immobilie, störte das nicht. Sie kassiert monatlich 4700 Euro vom Innenministerium, das sich schon 1972 eingemietet hatte. Die öffentlichkeitsscheue Dame zeigte sich allerdings wenig kooperativ. Nicht einmal das Anbringen einer Gedenktafel an der Fassade gestattete sie. Ein auf dem Gehsteig platzierter Gedenkstein gibt nur einen vagen Hinweis auf die historische Bedeutung des Hauses: »Für Frieden Freiheit und Demokratie – Nie wieder Faschismus – Millionen Tote mahnen« steht auf dem Granitblock aus dem ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen.

Die braune Szene weiß, wo man am 20. April den Führer-Geburtstag feiern kann. Die Braunauer würden auf diesen Tourismus gern verzichten, weshalb Bürgermeister Johannes Waidbacher (ÖVP) keinerlei Art von Gedenken in dem berühmten Gebäude haben möchte. Denn auch eine verantwortungsbewusste museale Aufbereitung würde nicht unbedingt verhindern, dass die Adresse für Alt- und Neonazis eine Pilgerstätte bleibt.

Die Bundesregierung muss sich jedenfalls jetzt etwas einfallen lassen. Denn im Parlament liegt bereits der von SPÖ und ÖVP vereinbarte Entwurf für das Gesetz zur Enteignung Pommers. Sobald der Staat als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, würde Innenminister Sobotka am liebsten das Abbruchkommando in Marsch setzen.

Doch eine von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission, in der auch die Israelitische Kultusgemeinde vertreten ist, gibt nicht die eindeutige Empfehlung, die der Innenminister darin gelesen haben will: »Das Hitler-Haus wird abgerissen«, hatte Sobotka am Dienstag gegenüber der Tageszeitung »Die Presse« schon verkündet. Er folge damit einem Vorschlag der Kommission.

So ein Vorschlag existiert jedoch nicht wirklich. »In der Empfehlung steht nichts von einem Abriss«, sagt Bürgermeister Waidbacher. Tatsächlich empfehle die Kommission »eine tiefgreifende architektonische Umgestaltung«, die den »Wiedererkennungswert und die Symbolkraft des Gebäudes dauerhaft unterbinden«.

Die Abrisslösung hätte die Republik schon früher viel billiger haben können: 2012 wollte der russische Duma-Abgeordnete Franz Adamowitsch Klinzewitsch das Braunauer Haus für 2 Millionen Euro kaufen und schleifen lassen. Einer der Gründe, warum dieses Angebot nicht ernsthaft geprüft wurde, war die Tatsache, dass die Geschichte dieses Hauses lange vor dem 20. April 1889 begonnen hat. Die Grundsubstanz stammt aus dem 16. Jahrhundert und ist wie das gesamte Ensemble der Braunauer Altstadt denkmalgeschützt. Ingo Engel, der Obmann des Stadtvereins Braunau: »Abbruch löscht Geschichte nicht!«

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