Egal ob links, rechts oder Islamist

SPD-Innenpolitiker wirbt in einem Vortrag für sein Extremismus-Verständnis

  • Simon Brost
  • Lesedauer: 3 Min.

»Das mögen die nicht, wenn man den Kreis von ganz links nach ganz rechts zieht, da fühlen die sich angepiekst.« Wen er dabei genau als »die« ausgemacht hat, das lässt der SPD-Innenexperte und Abgeordnete Tom Schreiber am Donnerstagabend offen. Der bisherige verfassungsschutzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus trat bei einer Diskussionsveranstaltung in Mitte auf. Dort hielt er einen Vortrag zum Thema »Links- und Rechtsextremismus als Demokratiegefährdung«. Eingeladen hatte ihn das interreligiöse Netzwerk »Forum Dialog«, das nach eigenen Angaben von Mitgliedern der türkischen Gülen-Bewegung gegründet wurde.

Tom Schreiber hatte im Wahlkampf immer wieder mit markigen Worten zur Situation in der linksradikalen Szenehochburg Rigaer Straße polarisiert. Dabei war der Termin am Donnerstagabend Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe, die sich dem Titel nach - »Enthemmte Mitte - Polarisiertes Deutschland« - genau gegen diese Art der Zuspitzung wenden soll.

Mit den Definitionen der zentralen Begriffe des Abends hält Schreiber sich indes nicht lange auf. Die entsprechende Folie seiner Präsentation überspringt er, darüber, was unter »Rechts-« und vor allem »Linksextremismus« verstanden werde, darüber müssten sich Politik und Wissenschaft erst noch verständigen. Das können sie alles auch im Verfassungsschutzbericht nachlesen, ist ein häufiger Hinweis seines Referats.

In seinem Element ist Schreiber hingegen offenbar, wenn er sich über linke Anfeindungen gegen seine Person mokiert. Er zeigt Screenshots von Beiträgen beim Kurznachrichtendienst Twitter. Auf einem Foto sieht man in roter Farbe die Parole »Menschen sterben, Tom schweigt. Autos brennen, Tom schreit« an einer Hauswand in Friedrichshain. Zwischen linken und rechten Radikalen, die ihn beide gleichermaßen nicht mögen, wie Schreiber erzählt, sieht er Gemeinsamkeiten, auch mit radikalen Islamisten gäbe es solche: Sie lehnten die Freiheitlich demokratische Grundordnung ab, agierten gegen nicht näher benannte Gruppen und seien gewaltbereit. Es sei egal, »aus welcher Ecke« der Extremismus komme, Islamisten, Rechte und Linke, findet Schreiber, seien nur unterschiedliche Ausprägungen desselben Phänomens. Das »Problem«, das er nebulös unter den Begriff der »Radikalisierung« fasst, entstünde dann, wenn Menschen von den Extremisten aus »schweren Lebenslagen« abgeholt würden.

Doch auch Schreiber selbst agiert nicht gerade zimperlich. Für Empörung sorgte zum Beispiel ein Beitrag von ihm am Mittwoch dieser Woche, in dem er im Zusammenhang mit den Schüssen auf Polizisten in Bayern Anhänger der rechtsextremen »Reichsbürger« als »menschlichen Abschaum« bezeichnete. Twitter sei eben kein Medium, um zu diskutieren, versucht Schreiber Kritikern nun den Wind aus den Segeln zu nehmen.

So kommt an diesem Donnerstagabend die Diskussion mit dem Publikum schnell vom Thema ab. Es geht stattdessen viel um Rocker und die Organisierte Kriminalität. Ausgerechnet die Frage eines Mannes, der sich als AfD-Mitglied zu erkennen gibt, führt auf seine ganz eigene Weise zum Thema zurück: Er will wissen, ob das Löschen von Hasskommentaren in sozialen Netzwerken nicht eine Einschränkung der Meinungsfreiheit sei. Schreiber widerspricht nicht direkt, er sieht vor allem den Staat in der Pflicht, Straftaten im Internet zu verfolgen. So einfach kann man es sich auch machen.

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