Bayerns Schikanekultur

Mit neuen Hürden und Integrationsgesetz gegen Flüchtlinge

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.

Für die Bundesregierung sind es »wichtige Bausteine zur Integration von Flüchtlingen in Deutschland«, die im bundesweiten und seit 1. August geltenden Integrationsgesetz niedergelegt sind. Zum Beispiel die Rechtssicherheit für Flüchtlinge, die eine Ausbildung begonnen haben oder planen. Früher waren diese Menschen von Abschiebung bedroht, jetzt gewährt ihnen das neue Gesetz die Sicherheit, in Deutschland bleiben zu dürfen. Außerdem besteht nach der Ausbildung für zwei Jahre ein Aufenthaltsrecht bei Weiterbeschäftigung. Diesem Integrationsprogramm legt jetzt aber die bayerische Staatsregierung Steine in den Weg. Ihre restriktive Gesetzesauslegung verhindere, dass Flüchtlinge in Bayern eine Ausbildung aufnähmen, so die Kritik des Bayerischen Flüchtlingsrates wie auch der Industrie- und Handelskammern. Derweil protestierte am Wochenende ein breites Bündnis in München gegen das selbstgestrickte bayerische Integrationsgesetz der CSU.

Die Industrie- und Handelskammer von München und Oberbayern bietet Unternehmen, die Flüchtlinge ausbilden wollen, spezielle Kurse an: »Die Flüchtlinge stellen für die Ausbildungsbetriebe eine neue Chance dar. Gerade in Zeiten von unbesetzten Ausbildungsplätzen können Jugendliche und junge Erwachsene aus dem Ausland helfen, den notwendigen Bedarf an Fachkräften zu decken. Doch welche Herausforderungen erwarten mich als Ausbilder/-in und wie kann ich mich bereits im Voraus auf die jungen Menschen aus anderen Kulturkreisen vorbereiten?«, heißt es etwa im »Modul 1«. Begrüßt werden dabei die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen durch die sogenannte »3+2«-Regel: Während der dreijährigen Ausbildung und einer nachfolgenden zweijährigen ausbildungsadäquaten Berufstätigkeit gilt für die Flüchtlinge das Bleiberecht.

In Bayern aber nur bedingt. Denn mit einer Weisung des bayerischen Innenministeriums vom 1. September über den Vollzug des Ausländerrechts würden die Ausländerbehörden im Freistaat angewiesen, nur unter sehr strengen Voraussetzungen eine Beschäftigungserlaubnis zur Aufnahme einer Ausbildung zu erteilen, kritisiert der Bayerische Flüchtlingsrat. Möglich wird dies durch einen kleinen Halbsatz, der kurz vor Beratungsschluss in das Integrationsgesetz eingefügt wurde. Danach soll die Duldung, also das Bleiberecht, für die Dauer der Ausbildung nur dann erteilt werden, wenn »konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen«. Diese Formulierung ist sehr offen für Interpretationen, die laut dem Flüchtlingsrat zu Ungunsten der Flüchtlinge ausgelegt werden: »In zahlreichen Fällen wurden seither keine Beschäftigungserlaubnisse zur Berufsausbildung mehr erteilt oder diese gar wieder entzogen.« Tausenden Jugendlichen und Heranwachsenden drohe nun ein Leben in der Warteschleife. Denn laut Weisung des bayerischen Innenministeriums müsse zum Beispiel »nicht die tatsächliche Aufenthaltsbeendigung als solche konkret bevorstehen«. Es reiche bereits, »wenn die im Einzelfall erforderlichen ausländerbehördlichen Maßnahmen zur Vorbereitung der Aufenthaltsbeendigung konkret bevorstehen«. Das kann zum Beispiel schon die Ankündigung eines Termins bei der Ausländerbehörde sein, obwohl ein solcher Termin nichts darüber aussagt, ob und wann es zu einer Abschiebung kommt.

Neben dem Flüchtlingsrat kritisieren auch die bayerischen Industrie- und Handelskammern die restriktive Auslegung des Ausländerrechtes. Sie haben in einem Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer eine Änderung dieser Anweisung gefordert. So beklagt Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer des bayerischen Industrie- und Handelskammertags, die Chancen von Flüchtlingen, einen Ausbildungsplatz zu erhalten, hätten sich mit dieser Vollzugspraxis deutlich verschlechtert, die Regelung habe zu einer erheblichen Verunsicherung in den Betrieben geführt. Denn für die Betriebe stelle sich jetzt die Frage, ob es so noch Sinne mache, mit der Ausbildung zu starten. Ursprünglich sollten bis 2019 rund 60 000 Flüchtlinge in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt in Bayern integriert werden.

Dass die CSU die Integration von Flüchtlingen eher verhindere als fördere, das war auch das Thema einer Demonstration von rund 2000 Gegnern des bayerischen Integrationsgesetzes am vergangenen Wochenende in München. So kritisierte Mitra Sharifi, Vorsitzende der Ausländer- und Integrationsbeiräte Bayerns, das Gesetz trage »in keiner Weise dazu bei, Zusammenleben zu ermöglichen und Vorurteile abzubauen«. Und Hedwig Krimmer (ver.di Bayern) beklagte, der gesamte Gesetzentwurf sei geprägt von »Eiseskälte« und ein »Angriff auf uns alle«. Nicole Gohlke, Münchner Bundestagsabgeordnete der LINKEN, erklärte: »So viele Menschen sind ein deutliches Signal an die bayerische Landesregierung, dieses unsägliche Gesetz noch zu stoppen. Sowohl bei der Anhörung Ende September als auch bei der Behandlung im zuständigen Ausschuss in dieser Woche, die Landesregierung bekommt für den Gesetzesentwurf Gegenwind von allen Seiten.« Das bayerische Integrationsgesetzt sieht eine deutsche Leitkultur vor.

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