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Moralunterricht im Paradies

Die NBC-Serie »The Good Place« lotet die Bedingungen des Zusammenlebens nach dem Tod aus

  • Waldemar Kesler
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Prämisse von »The Good Place« täuscht ein wenig: Was nach einer lauen romantischen Komödie klingt, ist eine wirklich lustige Serie. Das Jenseits besteht darin aus guten, auf die Bewohner abgestimmten Orten für Auserwählte und einem anderen Ort für die Vielen, der sich verdächtig nach der Hölle anhört. Ein Punktesystem sorgt dafür, dass nur eine ethische Elite an die guten Orte gelangt. Der gute Ort, an dem Eleanor (Kristen Bell) gerade angekommen ist, ist eine disneyhafte Enklave, in der es massenweise Frozen Yoghurt gibt und alle in Schlösschen leben - alle außer Eleanor, deren Selbstentsagung sich angeblich mit einem funktionalen Spielzeughaus begnügt. Eleanor merkt, dass etwas nicht stimmt. Zu ihren Lebzeiten verkaufte sie nämlich profitabel wirkungslose Medikamente an verzweifelte Senioren und war sich auch sonst immer selbst am nächsten.

Das System hat für das Jenseits auch vorgesehen, dass die perfekten Seelenverwandten zusammenfinden. Aus Mangel an Menschen gleichen Schlags muss sich Eleanor ihrem Partner offenbaren, dem rigiden Moralphilosophen Chidi (William Jackson Harper). Er versucht ihr wider besseres Wissen beizubringen, ein besserer Mensch zu werden, um nicht aus dem Paradies verjagt zu werden. Jedes Mal, wenn Eleanor nicht moralisch handelt, gibt es buchstäblich einen Riss im System, und ein Stück Jenseits bricht weg. Es geht in »The Good Place« nur vordergründig darum, wie ein hoffnungsloser Fall zu einer sozial tragbaren Person wird. Wichtiger sind die Pointen, die der Clash zwischen Eleanors selbstbewusster Oberflächlichkeit und Chidis verkorkster Tiefsinnigkeit hergibt.

Die erste Staffel ist noch damit beschäftigt, die Ausgangslage zu klären und alle Figuren einzuführen. Nach dem Muster von »Lost« sehen wir in jeder Folge Rückblenden zum früheren Leben eines jeweils anderen Verblichenen. Dies führt zur Aufklärung von manchen falschen Eindrücken. Die Oberschichtprinzessin Tahani (Jameela Jamil) erscheint im Jenseits noch wie die Karrieristin unter den guten Menschen. In den Rückblenden erfahren wir, dass ihr nervendes Bedürfnis, ständig Gutes zu tun, eine traurige Folge ihres Minderwertigkeitskomplexes ist. Da ihr Seelenpartner Jianyu (Manny Jacinto) eigentlich kein buddhistischer Schweigemönch ist, wie er vorgibt, stellt sich eine Systemfrage, die den guten Ort zum eigenen Akteur macht: Muss sich nach der Ankunft der Toten das Jenseits erst selbst regulieren, bis von falschen Altruismen über falsche Identitäten alle Systemfehler behoben sind? Vielleicht gehören Tahani und Jianyu doch zusammen, wenn sie damit aufgehört haben, ihr Handeln von den anderen abhängig zu machen. Vielleicht bricht irgendwann auch der Disneykitsch des guten Orts endgültig in sich zusammen, eine Mischung aus Mary Poppins, Schloss Neuschwanstein und einem Einkaufszentrum in Eckernförde. Diese Frage könnte sich für die Serie zu einem Motor entwickeln und die Frage ablösen, ob Eleanors Verhalten jemals vor Kants Grundsätzen bestehen kann.

Eine Comedy-Serie, bei der Witze über Utilitarismus und Asozialenhumor Hand in Hand gehen, ist definitiv bereit für Balanceakte. Deswegen besteht die Hoffnung, dass »The Good Place« bei den hoffentlich folgenden Staffeln nicht in der etwas sperrigen Ausgangslage stecken bleibt. Allein Ted Danson als Astralwesen mit einem putzigen Fetisch für menschliche Gebrauchsgegenstände ist ein Reinschauen wert. Als Architekt des Ortes versucht er ständig, die Menschen zu verstehen, was immer wieder gut für eine passende Beobachtung ist: »Es ist so menschlich, etwas Großartiges ein bisschen zu verderben, um mehr davon haben zu können.«

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