Doch kein Fall »Peggy-Böhnhardt«?

Was kann man Ermittlern glauben? DNA des NSU-Terroristen nun angeblich durch Kriminaltechniker übertragen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor fast genau zwei Wochen teilten das Polizeipräsidium Oberfranken und die Staatsanwaltschaft Bayreuth mit, dass man in unmittelbarer Nähe der sterblichen Überreste von Peggy K., die im Sommer in einem Thüringer Waldstück gefunden wurden, eine DNA-Spur entdeckt hat, die »Uwe Böhnhardt zuzuordnen ist«.

Böhnhardt war ein Mitglied des Nationalsozialsozialistischen Untergrund (NSU), der laut Anklage zumeist aus rassistischen Gründen zehn Menschen umgebracht und mehrere Anschläge sowie Überfälle verübt hat.

Die Nachricht erstaunte und erschreckte zugleich. Mehrfach bestritten die Bayreuther Ermittler, dass die Spur durch einen unsachgemäßen Umgang in Kriminallabors entstanden sein könnte.

Am Donnerstag nun neues Erstaunen und Entsetzen. Die Nachrichte stammt diesmal von Experten der bayerischen Polizei und des Bundeskriminalamtes. »Im Rahmen der Qualitätssicherung« hat eine genauere Überprüfung der Tatortsituationen ergeben, dass die Tatortgruppe des thüringischen Landeskriminalamts (LKA) sowohl bei der Auswertung der Spuren im Wohnmobil des NSU - in dem sich Uwe Böhnhardt gemeinsam mit seinem Komplizen Uwe Mundlos das Leben genommen haben soll - als auch am Fundort der Skelettteile von Peggy beteiligt war. Man benutzte offenbar beim Fotografieren der Asservate denselben Meterstab. Auch wenn vorsichtig »von möglichen Anhaltspunkten« gesprochen wird, muss die Aussage verwundern. Denn zwischen den Arbeiten zur Spurensicherung in dem gemieteten Camper und den Recherchen am Fundort von Peggy liegen Jahre. Zwar ist DNA langlebig auch übertragbar, doch das Wohnmobil wurde Ende 2011 von Thüringer Kriminaltechnikern - übrigens höchst unprofessionell - untersucht. Es steht inzwischen beim BKA. Die Skelettreste von Peggy fand man dagegen im Juli 2016.

Die neunjährige Peggy war im Mai 2001 verschwunden. Ein geistig behinderter Mann aus ihrem Wohnort Lichtenberg war 2004 wegen Mordes verurteilt worden. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens endete 2014 mit Freispruch.

Wie sicher sind sich die Ermittler bei ihrer jüngsten Aussage? Die bayerische Polizei teilte mit: »Eine Aussage zur Qualität der Spurensicherung und einer möglichen Kontamination kann erst nach weiteren umfassenden und zeitaufwendigen Ermittlungen getroffen werden.«

Was auch immer nach diesem Spiel auf Zeit als Entschuldigung vorgebracht werden mag - es gibt Hunderte DNA-Spuren, die man auch nach fünf Jahren NSU-Ermittlungen nicht verfolgt hat. Nicht einmal ansatzweise hat man das auch ins Ausland reichende NSU-Netzwerk enttarnt. Noch immer haben die BKA-Ermittler und die sie leitenden Bundesanwälte aus Karlsruhe nicht die geringste Ahnung, wem die im Wohnmobil gefunden Kinder- und Spielsachen zuzuordnen sind.

Mehrfach sind die mutmaßlichen NSU-Mörder mit Kindern gesehen worden, deren Identität unklar ist. Neonazis aus dem Umfeld des Terror-Trios wurden wegen Menschenhandels oder Kindesmissbrauchs verurteilt. Die im München angeklagte mutmaßliche NSU-Mittäterin Beate Zschäpe kündigte an, sich demnächst zum »Komplex Peggy« äußern zu wollen. Das erübrigt sich ja nun wohl. Kommentar Seite 4

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