Der Mut der Hinterbliebenen

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Jahrelang zog eine Gruppe von Rechtsterroristen durchs Land und ermordete neun Kleinunternehmer, die alle an ihren Arbeitsorten regelrecht hingerichtet wurden. Acht der Opfer stammte aus der Türkei, eines aus Griechenland. Die erste bekannte Tat ereignete sich am 9. September 2000, die letzte am 6. April 2006. Rund ein Jahr danach wurde in Heilbronn die Polizistin Michèle Kiesewetter mit der gleichen Waffe erschossen, mit der auch Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit Yozgat getötet wurden. Die Ermittlungen der Behörden in allen neun Mordfällen sind ein Ausdruck organisierten Staatsversagens. Die Polizei unterstellte zunächst eine Nähe der Opfer zu kriminellen Milieus und ermittelte in einigen Fällen im Familienumfeld. Erst nach dem Tod zweier Rechtsterroristen 2011 werden die Verbrechen der Terrorzelle »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) zugeordnet.

Im Neuköllner Heimathafen erzählen ab heute die »NSU-Monologe« von den jahrelangen Kämpfen dreier Familien der Opfer des NSU - von Elif Kubaşık, Adile Şimşek und İsmail Yozgat: von ihrem Mut, in der ersten Reihe eines Trauermarschs zu stehen, von der Willensstärke, die Umbenennung einer Straße einzufordern und vom Versuch, die eigene Erinnerung an den geliebten Menschen gegen die vermeintliche Wahrheit der Behörden zu verteidigen. Die »NSU-Monologe« sind dokumentarisches, wortgetreues Theater, mal behutsam, mal fordernd, mal wütend - roh und direkt liefern sie uns intime Einblicke in den Kampf der Angehörigen um Wahrheit und sind in Zeiten des Erstarkens von Rechtsextremismus an Aktualität kaum zu überbieten. nd Foto: Schokofeh Kamiz

3.11., 20 Uhr, Heimathafen Neukölln, Karl-Marx-Straße 141; Vorstellungen auf türkisch mit deutschen Untertiteln am 5.11.,8.12. und 15.1.17; www.heimathafen-neukoelln.de

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