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Forderungen nach Sanktionen gegen die Türkei werden laut

Grünen-Politikerin Roth verlangt Aufkündigung des Anti-Asyl-Deals / Österreichs Außenminister Kurz auch für Ende der EU-Beitrittsgespräche / Luxemburger Asselborn: Erdogan benutzt Methoden der »Naziherrschaft«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Nach der Festnahme mehrerer Parlamentarier der oppositionellen HDP in der Türkei werden Forderungen nach Sanktionen gegen das Regime von Recep Tayyip Erdogan lauter. So hat Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) einen Ausstieg aus dem Flüchtlingsabkommen mit der EU gefordert. Es sei »höchste Zeit«, diesen »Flüchtlings-Abwehr-Deal« zu beenden statt sich vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vorführen, beschimpfen und erpressen zu lassen »und ihn dadurch ja nur zu unterstützen«, sagte Roth am Montag im Radiosender Bayern 2. Auch Politiker aus anderen Ländern forderten Konsequenzen aus den jüngsten Schritten Ankaras gegen Journalisten und kurdische sowie linke Strömungen.

Roth verlangte eine laute, klar und deutliche Reaktion seitens der Bundesregierung und der EU. Auch die NATO, die sich ja als »Wertegemeinschaft« verstehe, sei gefordert: »Ich finde, dass die Stationierung von deutschen Bundeswehrsoldaten in Incirlik schnellstmöglich auf den Prüfstand gehört«, sagte die Grünen-Politikern.

Die Türkei befindet sich nach Roths Worten »auf schleunigstem Weg in die Diktatur«. Sie sprach von einem »zivilen Putsch« Erdogans. Der Präsident sei »der Totengräber der Demokratie und des Rechtstaats in der Türkei«. Erdogan spiele sich auf »wie ein absolutistischer Alleinherrscher, der Expansionsfantasien hat - Fantasien hin in Richtung Osmanisches Reich«.

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz forderte zudem einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der EU. »Ein Land, das versucht, Journalisten und Oppositionsführer einzusperren, hat in der Europäischen Union keinen Platz«, sagte der Politiker der konservativen ÖVP der »Passauer Neuen Presse« vom Montag. Für ihn sei »die Rote Linie längst überschritten«.

Die Verhaftung der Parteispitze der prokurdischen Oppositionspartei HDP am Freitag hatte international für Empörung gesorgt. Auch die EU-Kommission, die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Erweiterungskommissar Johannes Hahn hatten die Festnahme der beiden Parteivorsitzenden und mehrerer Abgeordneter scharf kritisiert. Zuvor war Ankara bereits wegen einer Festnahmewelle gegen Journalisten und der Schließung regierungskritischer Medien in die Kritik geraten.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn wurde am Montag noch deutlicher. Er hat die aktuellen Entwicklungen in der Türkei im Deutschlandfunk mit denen in der Nazi-Zeit verglichen. Zum Vorgehen gegen Regierungsgegner unter dem von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ausgerufenen Ausnahmezustand sagte Asselborn im Deutschlandfunk: »Das sind Methoden, das muss man unverblümt sagen, die während der Nazi-Herrschaft benutzt wurden.« Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Regierung in Ankara seien bereits jetzt »theoretisch« ausgesetzt. Asselborn brachte am Montag zudem mögliche Wirtschaftssanktionen gegen Ankara ins Spiel.

»50 Prozent der Exporte der Türkei gehen in die Europäische Union«, sagte der Minister. »60 Prozent der Investitionen in die Türkei kommen aus der Europäischen Union. Das ist ein absolutes Druckmittel. Und in einem gewissen Moment kommen wir nicht daran vorbei, dieses Druckmittel einzusetzen, um die unsägliche Lage der Menschenrechte zu konterkarieren.«

Asselborn gab zu einem möglichen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen zu bedenken, »dass es Millionen Menschen in der Türkei gibt, die glauben, dass die einzige Hoffnung, um aus diesem Loch herauszukommen, die Europäische Union ist«.

Erdogan hatte nach den jüngsten Verhaftungen von kritischen Journalisten und Oppositionsabgeordneten in der Türkei am Sonntag deutlich gemacht, dass ihn Kritik aus dem Ausland nicht interessiere. »Es kümmert mich überhaupt gar nicht, ob sie mich einen Diktator oder Ähnliches nennen«, sagte er. »Das geht zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Wichtig ist, was mein Volk sagt.«

Angesichts der scharfen Kritik am Vorgehen der türkischen Regierung gegen Opposition und Medien empfängt der türkische Europaminister Ömer Celik am Montag die Vertreter aller EU-Staaten in Ankara zu einem außerplanmäßigen Treffen, um über die »jüngsten Entwicklungen im Land« zu berichten. Agenturen/nd

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