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Mühldorf will keinen rechten Nikolaus

Darsteller nach Eklat um Sympathiebekundung mit den völkischen Identitären entlassen / Neonazis nutzen Fall zur Skandalisierung

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Wenn in wenigen Tagen an vielen Orten in Deutschland wieder die Weihnachtsmärkte ihr Pforten öffnen, dann gehören dazu nicht nur Lichterketten, Holzhütten und Glühwein, sondern auch - je nach Region - die Darstellung eines Weihnachtsmannes, Christkindes, Knecht Ruprechts oder Nikolauses. Auch im oberbayerischen Mühldorf am Inn pflegt die Bevölkerung diese Tradition. Im Fall von Peter Mück muss man das wörtlich nehmen: Seit fast 30 Jahren mimte er für die Stadt den heiligen Nikolaus, trat unter anderem auf dem Christkindlmarkt und in Kindergärten auf.

Doch in diesem Jahr muss sich Mühldorf einen neuen Darsteller suchen. Nach Hinweisen aus der Bevölkerung erhärtete sich der Verdacht, dass Mück rechtsradikales Gedankengut verbreitet. Ausgerechnet mit der inzwischen auch vom Verfassungsschutz beobachteten völkisch-nationalistischen »Identitären Bewegung« (IB) soll er sympathisieren. Die mögliche Verbindung flog auf, nachdem Mitglieder der IB in Mühldorf eine Plakatkampagne starteten, die sich inhaltlich mit der Debatte um ein Verbot von Kinderehen beschäftigt. Die Rechtsradikalen machten unter dem Slogan »Kinderehe = Kindesmissbrauch« mobil, verbreiteten Fotos ihrer Kampagne, wie sie vor Kindergärten in der Region posierten, auch im Internet.

Auch Mück entdeckte die Bilder auf Facebook, drückte nicht nur »Gefällt mir« und schrieb einen positiven Kommentar. Nachdem dies wiederum einigen Eltern aufgefallen war, deren Kinder als Engel verkleidet Mück bei seinen vielen Auftritten begleiteten, lud Bürgermeisterin Marianne Zollner (SPD) den mutmaßlich mit rechten Kräften sympathisierende Nikolaus-Darsteller zum Gespräch ins Rathaus. »Ich erklärte ihm, dass diese Bewegung meines Erachtens die Gleichheit und Würde aller Menschen sowie unsere demokratischen Grundwerte nicht achte und diese Einstellung nicht vereinbar sei mit der Tätigkeit als Nikolaus«, erklärte die SPD-Politikerin nach dem Gespräch via Facebook.

Doch auf die Nachfrage reagierte Mück laut Zollner »sehr abweisend« und tat den Vorgang ab, als ginge es lediglich um sein Recht auf freie Meinungsäußerung. Später meldete auch er sich via Facebook zu Wort: Er habe nie »in Wort, Tat und Schrift die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Verfassung des Freistaates Bayern in irgendeiner Weise bekämpft.« Beteuerungen, die von Seiten der IB allerdings auch immer wieder getätigt werden. Mit dieser Bewegung habe er sich zuvor kaum beschäftigt, hätte sich vielleicht genauer informieren müssen, beteuert Mück. Doch distanzieren wollte er sich von den Identitären nicht, wie es aus dem Rathaus heißt. Genau dies wäre allerdings Bedingung dafür gewesen, damit Mück seine Rolle als Nikolaus weiter spielen dürfe.

Nachdem Zollner am Samstag eine Erklärung zur Causa Nikolaus ins Internet stellen ließ, brach ein Proteststurm über die Bürgermeisterin ein. Hunderte wütende Kommentare hätten sich zu dem Fall geäußert, viele davon mit Falschdarstellungen und Drohungen, wie es bei innsalzach24.de heißt.

Dabei ist die Forderung nach einem konsequenten Verbot von Kinderehen nur ein Einstiegsthema der Identitären, um ihre völkische Ideologie zu verbreiten. So warnen die Rechtsradikalen unter anderem vor einem angeblich drohenden »Bevölkerungsaustausch« durch Zuwanderung. Beim bayerischen Ableger der Gruppierung werden Aktionen der IB harmlos als »Lederhosenrevolte« beworben.

Auf die aktuelle Empörungswelle im Nikolausfall aus Mühldorf sind die Rechtsradikalen inzwischen aufgesprungen. So bewerben die Identitären eine Petition, die den Rücktritt von Zollner fordert. Die Wortwahl darin ist alles andere als zurückhaltend. So wird der Bürgermeisterin unterstellt, »in Nazi-Manier das ihnen anvertraute Amt vollkommen missbraucht« zu haben. Auch Martin Sellner, Chef der österreichischen Identitären, äußerte sich in einem Videobeitrag, nannte Zollner eine »Meinungsterroristin«. Für die IB ist der Fall eine Steilvorlage: Es geht um eine Mischung aus christlichen Tradition, lokalen Brauchtum und ein angeblich linkes »Meinungsdiktat«.

Doch um die Absurdität einer Verknüpfung des historischen Nikolaus-Vorbildes mit völkischen Vorstellungen geht es in dem Streit nur am Rande. Dabei verkörpert die Geschichte des Nikolaus von Myra die internationale Verbreitung von Traditionen über Grenzen hinweg. Ursprünglich brachte den Nikolauskult die griechischen Ehefrau von Kaiser Otto II., Kaiserin Theophanu, nach Europa. Von dort begann seine Erfolgsgeschichte, in unseren Breiten ist der Brauch des Gabenbringers am 6. Dezember seit dem Jahr 1555 belegt. Doch es gibt ihn auch in anderen Ländern, darunter der Schweiz, den Niederlanden und den USA.

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