Nur ein Kontrolleur für 600 Betriebe

Bayerns Lebensmittelüberwachung soll reformiert werden - durch mehr Bürokratie?

  • Johannes Hartl
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Salmonellen-Vorfälle bei Bayern-Ei und die Tierschutzverstöße in Schlachthöfen sind nur zwei Beispiele für Lebensmittelskandale, die zuletzt in Bayern für Aufsehen gesorgt haben. Sie erschütterten nachhaltig das Vertrauen der Verbraucher in die staatliche Kontrolle und offenbarten gravierende Missstände, die einer wirksamen Überprüfung entgegenstehen. Denn ein fachkundiger Beamter hat in seinem Bereich bisher im Schnitt 600 Betriebe zu überwachen.

Unter diesem Eindruck hat Bayerns Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf (CSU) in den vergangenen Monaten Reformen erarbeitet, die das System auf eine tragfähigere Grundlage stellen sollten. Dazu will die CSU-Staatsregierung eine »Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen« einrichten, die sich auf zwei Standorte in Nord- und Südbayern verteilt.

Dort werden sich »interdisziplinäre Teams« um die Überwachung von sogenannten komplexen Betrieben kümmern. Dabei handelt es sich meist um große Produzenten, die für den überregionalen Absatzmarkt arbeiten. Sie sind die Hauptverursacher für Lebensmittelskandale - bei ihnen gibt es also einen besonderen Kontrollbedarf, wenn man derartige Zwischenfälle frühzeitig erkennen oder präventiv verhindern will. Die neue Stelle soll durch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit geleitet und mit 4,1 Millionen Euro finanziert werden - mit dem Ziel, die »wichtige und wesentliche Staatsaufgabe der Gefahrenabwehr« noch besser zu erfüllen.

Die Oppositionsparteien SPD und Grüne üben dagegen Kritik an den Plänen und plädieren für eine grundlegende Novellierung des bestehenden Systems. Der Verbraucherpolitiker der SPD, Florian von Brunn, verweist auf eine Anhörung im Umweltausschuss des Landtags. Experten aus den relevanten Berufsfeldern hatten bei dieser Gelegenheit scharfe Kritik an den Plänen der CSU geübt. Sie machten vor allem die Befürchtung deutlich, dass eine neue Behörde einerseits die Situation weiter verkomplizieren könnte und andererseits das nötige Personal für die 70 neuen Stellen am Ende nicht zur Verfügung steht. Auch von Brunn teilt solche Bedenken.

»Die Kontrolleure stehen auf verlorenem Posten«, sagt der Abgeordnete. »Sie sind trotz großem persönlichen Einsatz einfach nicht genug, um wirklich eine zuverlässige Kontrolle der Unternehmen zu gewährleisten« - zumal selbst bewilligte Stellen nicht komplett besetzt werden konnten. Angesichts dieser prekären Personalsituation müsse sichergestellt werden, sagt von Brunn, dass die »Kapazitäten in staatlichen Labors sowie die Zahl der Lebensmitteltechniker« steigen. Außerdem seien »höherer Kontrolldruck« und größere Transparenz gefragt, um schwarzen Schafen den Kampf anzusagen. »Wer Gefahr läuft, erwischt zu werden«, so der SPD-Politiker, »wird sich viel mehr Mühe geben, die Vorschriften auch tatsächlich einzuhalten«.

Seine Kollegin Rosi Steinberger, die Verbraucherpolitikerin der Grünen, sieht dieselben Probleme und stört sich an der geplanten Kontrollbehörde. Bereits heute sei es ein Problem, dass die Kommunikation zwischen den zuständigen Behörden - dem Landratsamt, den Bezirksregierungen und dem Ministerium - nicht immer reibungslos funktioniere. Durch eine weitere Ebene würden am Ende bloß noch mehr »Bürokratie und Abstimmungsprobleme« entstehen, statt Probleme zu lösen, glaubt Steinberger. »Dieses System ist praxisfern, teuer und ineffektiv.«

Die Grünen fordern deshalb eine Überwachung der Risikobetriebe durch die Bezirksregierungen: »Wir wollen, dass es gar nicht erst zu Krankheitsfällen kommt, weil ausreichendes und bestens geschultes Personal vorhanden ist, das mit Unterstützung von Spezialisten regelmäßig auch die Risikobetriebe kontrolliert und die Ursachen entdeckt, bevor sich die Probleme ausweiten.« Ohne eine grundsätzliche Reform des Systems, sagt Steinberger, sei das nicht möglich.

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