Überlegungen zur Überlegenheit
Bundestagsabgeordnete machen sich Gedanken über Populismus und soziale Spaltung der Gesellschaft
Ein anschauliches Beispiel für die im Bundestag üblichen Tiraden, bei denen in halsbrecherischer Entfernung zur Absicht des politischen Gegners der verbale Treffer alles entscheidet, bot am Mittwoch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. In der Generaldebatte zum Haushalt 2017 warf er Sahra Wagenknecht vor, diese könne offenbar Donald Trump etwas abgewinnen. »Ihre Antwort auf den Populismus von rechts ist mehr Populismus von links.«
Die Fraktionsvorsitzende der LINKEN hatte zuvor in ihrer Rede die Politik der Großen Koalition für den Vormarsch der Rechten direkt verantwortlich gemacht. Wo die Würde und die Interessen der einfachen Menschen geringgeschätzt würden, sei der Zulauf zu den Rechtspopulisten der AfD folgerichtig. Es seien die Lügenmärchen, dass diese Politik alternativlos sei, die die Menschen an der Demokratie verzweifeln ließen. Und dann: »Offenbar hat selbst ein Donald Trump wirtschaftspolitisch mehr drauf als Sie.« Denn immerhin habe Trump begriffen, »dass gegen Krise und marode Infrastruktur nicht Kürzungspolitik hilft, sondern ein großangelegtes öffentliches Investitionsprogramm«.
Die Debatte zum Kanzlerinnenetat stand im Schatten der gerade verkündeten erneuten Spitzenkandidatur Angela Merkels, der Präsidentenwahl in den USA und des Vormarschs der Rechten in Deutschland und Europa. Oppermann teilte die Analyse Wagenknechts zur sozialen Spaltung der Gesellschaft nicht und damit auch nicht ihren Schluss, dass diese für den Vormarsch der Rechtspopulisten verantwortlich sei. Allerdings hält es Oppermann für geraten, den »Duktus der moralischen Überlegenheit« gegenüber den Anhängern der Rechtspopulisten abzulegen.
Auch Anton Hofreiter zeigte sich besorgt. Allen, denen etwas an der liberalen Demokratie gelegen ist, müsse der Vormarsch der Rechten in Deutschland und in Europa Sorgen machen, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen. Gemeinsam müsse man sich den Demagogen entgegenstellen. Keine soziale Not und »keine gefühlte Identitätsverunsicherung« rechtfertige rassistische, frauenfeindliche oder homophobe Handlungen. Doch auch Hofreiter warf der Regierung vor, zu wenig gegen die Spaltung der Gesellschaft, die Bekämpfung von Fluchtursachen und für den Klimaschutz zu tun.
Die Bundeskanzlerin ging kaum auf Wagenknechts Vorwürfe ein, die als Oppositionsführerin vor ihr gesprochen hatte. Sie versprach, sich für die Wahrung geordneter Verhältnisse und einer offenen Gesellschaft einzusetzen. »Viele Menschen machen sich in diesen Tagen Sorge um die Stabilität unserer gewohnten Ordnung«, sagte Angela Merkel. Deutschland müsse versuchen, seine freiheitlichen Werte gemeinsam mit der EU und den USA in die Welt zu tragen. Seite 6
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