Thüringer Naziopfern droht die Abschiebung

Migrationsminister Dieter Lauinger (Grüne) bezeichnet geltende Rechtslage als unzureichend

  • Lesedauer: 2 Min.

Erfurt. In Thüringen droht einem Medienbericht zufolge vier Opfern rechtsextremer Angriffe die Abschiebung. Wie der MDR Thüringen am Sonntag unter Berufung auf die Opferberatung »ezra« mitteilt, habe in keinem der vier aktuellen Fälle bisher ein Prozess gegen die Täter stattgefunden. Bei den akut Betroffenen handele es sich um Geflüchtete aus der Balkanregion, die nach rechtsextremen Attacken durch »ezra« betreut würden, sagte ein Sprecher der Opferberatung dem Sender: »Sobald sie abgeschoben werden, gibt es keine belastenden Aussagen mehr gegen die Täter. Das würde bedeuten, dass die Täter dann freigesprochen werden.«

Thüringens Migrationsminister Dieter Lauinger (Grüne) erklärte gegenüber dem MDR, einen Abschiebestopp gebe es bisher nur bei schweren Straftaten. Er halte diese Rechtslage aber für unzureichend. »Ich persönlich glaube, es ist sinnvoll nicht nur Opfer von Verbrechen, sondern auch Opfer von Vergehen nicht abzuschieben«, so Lauinger. »Grundsätzlich gilt nach meiner Auffassung, wenn es ein Strafverfahren gegen einen Täter gibt, dann dürfe das Opfer bis zum Ende des Prozesses nicht abgeschoben werden«, so der Minister weiter. Seines Wissens handle es sich allerdings nicht um viele Fälle, bisher habe die Staatsanwaltschaft immer die Ausländerbehörde über das Verfahren informiert.

Unter den aktuellen Fällen, die »ezra« betreut, ist demnach auch ein 20-jähriger Tschetschene. Er war im September in Neustadt an der Orla zweimal am selben Tag von Rechtsextremen mit Schlagstock, Pfefferspray und einem Hund attackiert worden und soll nun abgeschoben werden, so der Sender. Für die Aufklärung sei das Thüringer Landeskriminalamt zuständig. Dort lägen die Akten derzeit. Man ermittle gegen zwei Täter, hieß es auf MDR-Anfrage. Die Staatsanwaltschaft sei noch nicht informiert worden.

Die Thüringer Opferberatung fürchtet dem Medienbericht zufolge, dass weitere Angriffsopfer jederzeit mit einer Ablehnung ihres Asylgesuchs rechnen müssten, bevor es zum Prozess gegen die Täter komme. Auch in Thüringen sei die Zahl rechtsextremer Gewalttaten gestiegen, die Ermittlungsverfahren dauerten oft lange, gleichzeitig habe sich die Bearbeitungszeit der Asylverfahren verkürzt.

Die Dunkelziffer der betroffenen Gewaltopfer sei vermutlich noch höher, weil nicht jeder rechtsextreme Angriff, insbesondere auf Geflüchtete, gemeldet würde, betonte der »ezra«-Sprecher. Die Opferberatung forderte ein dauerhaftes Bleiberecht für Betroffene. »Um auch den Tätern das Signal zu senden: Wenn sie jemanden angreifen aus rassistischen Motiven, bedeutet das für die Betroffenen, dass sie hier bleiben dürfen ohne Einschränkungen.« epd/nd

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