Teach me English, Brad Pitt

Südkoreaner lernen mit dem Smartphone, Hasen und Filmstars die Sprache

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 5 Min.

»Haben Sie schon einmal davon geträumt, sich von Brad Pitt Englisch beibringen zu lassen?« Das sei jetzt nämlich möglich, sagt Sang Choi auf dem Podium in einem so begeisterten Ton, als würde er ein revolutionäres Forschungsergebnis präsentieren. Rund 100 Risikokapitalgeber sitzen dem Jungunternehmer gegenüber. Sie sind bereit, sich überzeugen zu lassen. Viele lächeln nur milde, andere schauen skeptisch drein, ein paar sehen interessiert aus. Sang Choi, ein Typ in Bermudashorts, Karohemd und mit Stoppelbart, klickt sich durch seine Präsentation. Es geht um die verschiedenen Szenarien, in denen man mit seiner Smartphone-App Englisch lernen könne, und um harte Businessdaten. »Wir sind schon sehr weit gekommen. Und es geht noch weiter. Sie sollten wirklich in uns investieren.«

Bei der »Foreign Investment Week« in Seoul will Südkoreas Regierung internationale Unternehmen und Investoren von ihrem Land als Wirtschaftsstandort überzeugen. Autohersteller wie Hyundai bieten Möglichkeiten für Zulieferer, der Multikonzern Samsung hat fast überall Bedarf an Abnehmern, Lieferanten und Entwicklungspartnern. Und dann sind da neugegründete Unternehmen, die die Regierung für besonders hoffnungsvoll hält und in die investiert werden soll. Auffallend viele der angepriesenen Neugründungen kommen aus der Spielebranche. »Cookie Languages«, das Startup von Sang Choi, ist eines von ihnen. Und tatsächlich gehört er zu denen, die gute Chancen auf Erfolg haben dürften. Gaming ist in Korea seit langem im Vormarsch.

Kein Land der Welt hat einen höheren Anteil an Smartphonebesitzern als Südkorea. Es sind 88 Prozent, unter den 18- bis 34-jährigen hat sogar jeder ein Smartphone. Auch die durchschnittliche Übertragungsrate des Internets ist weltweit führend, ebenso der Anteil derer, der das Internet täglich nutzen. Und seit es Korea um die Jahrtausendwende zur Politik machte, dass jeder Zugang zum Internet haben sollte, hat sich um das digitale Netz eine ganze Kultur aufgebaut. Die erfolgreichsten Onlinegamer des Landes können von ihren Siegprämien auf Turnieren leben. Internetcafés für Spielefans sind praktisch rund um die Uhr geöffnet. Und immer wieder erscheinen beliebte Videospiele aus Korea.

»Hier ist es für uns mit einer guten Idee nicht schwierig, Kunden zu fangen«, sagt Sang Choi auf dem Podium. »Die Leute sind sehr empfänglich für spielerische Lösungen von allem Möglichen. Die Umsetzung muss nur gut sein.«. Und das sei sie im Fall von »Cookie Languages«. Die Applikation hat in acht Ländern ein Patent darauf angemeldet, dass sie als erstes Unternehmen virtuelle Unterhaltungen mit Muttersprachlern anbietet. Bisher ist die App nur auf Koreanisch erhältlich. Bald soll es sie auch für chinesische, japanische, arabische, spanische und einige weitere Muttersprachler geben. »Und das läuft so«, holt der Unternehmer aus: »Je nach dem, ob Sie angeben, dass Sie ein Teenager sind, ein erwachsener Mann oder ein Kind, wird Sie auf dem Bildschirm ein Filmstar, eine attraktive junge Frau, oder ein niedlicher Hase ansprechen.«

Der Nutzer sieht sich ein Video an, in dem eine Figur zu ihm spricht, im Fall der jungen Frau etwa: »Hallo, wir kennen uns nicht, aber hast du Lust auf eine Unterhaltung?« Je nach Wahl der angebotenen Antwortmöglichkeiten geht der Flirt weiter oder nicht. »Für jeden Typen, für jede Altersklasse gibt es hier eine spannende und lustige Art, authentische englische Unterhaltungen zu führen.« Das Geschäft läuft schon ganz gut. Mit einem Werbeetat von nur 300 US-Dollar hat das Entwicklerteam 12 000 Nutzer generiert. 60 Prozent derer, die sie einmal herunterladen, nutzen sie regelmäßig. Und außerdem sei bei den meisten Apps nur zwei Prozent des gesamten Inhalts kostenlos. Bei »Cookie Languages« sei es dagegen immerhin ein Viertel des gesamten Angebots.

Damit schlägt die Applikation in eine Kerbe, die in letzter Zeit mehrere Entwickler probieren. Bildung hat in Südkorea einen noch höheren Stellenwert als in vielen anderen Ländern. Kaum irgendwo ist die Akademikerquote höher als im Land von Sang Choi. »Heute ist es so, dass jeder, der international etwas zählen will, gutes Englisch sprechen muss. Weil das ein Fakt ist, finden wir es sogar innerhalb Koreas wichtig. Selbst dann, wenn man es nie benutzen würde, muss man es trotzdem können.« Englischkenntnisse als eine Art Statussymbol. Zugleich plagt viele Koreaner das Gefühl, die Lingua Franca des globalen Lebens nicht ausreichen zu beherrschen. So ist das Geschäft mit Englischnachhilfe zum robusten Gewerbe geworden. Im Unterschied zu menschlichen soll die Smartphone-App nicht nur deutlich billiger sein, sondern auch Spaß bringen.

Andere Applikationen machen das mit Figuren in der Form eines angespitzten virtuellen Bleistiftmännchens, der den Lernenden bei Vokabelabfragen rügt oder lobt, oder mit einem imaginären Außerirdischen, mit dem man zu kommunizieren lernen muss - auf Englisch. Eine beliebte Idee sind Vokabelabfragen, die einem nach falschem Antworten in kurzen Animationen erklärt werden. Solche Ansätze können auch jenseits der Grenzen Koreas erfolgreich sein, überall dort eben, wo Menschen Englischlernen als eine lästige, aber nötige Aufgabe sehen. »Wir konzentrieren uns zunächst auf den asiatischen Markt«, so Sang Chio. Die von Sang Chio ersponnenen Szenarien für eine Unterhaltung auf Englisch begeistern womöglich nicht jeden. »Aber wir haben an wirklich viele Typen von Nutzern gedacht«, beteuert der.

Kinder, die an Flirts mit hübschen Damen nicht interessiert sind, begegneten einem Hasen, den sie überreden können, seine Karotte aufzuessen oder aus der Hand zu legen. Und wer von einem Filmstar wie Tom Cruise »Ja, ich liebe dich« gesagt bekommen möchte, müsse ihm nur die richtige Frage stellen, natürlich in korrektem Englisch. »Wir glauben, dass das Prinzip überall funktionieren kann. Mit uns lernt man ja am Ende, wie man auf Englisch das Herz einer Frau erobert!«, sagt Choi. Das sei es doch, was die Idee zum internationalen Erfolg machen dürfte. Wen nicht das, dann die ewige Unzufriedenheit vieler, ihr Englisch sei noch nicht gut genug.

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