Freiwillige in der Jugendbauhütte

Überbrückungszeit zwischen Schule und Ausbildung hilft oft bei der Berufsorientierung

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Ob Germanensiedlung am Opfermoor in Niederdorla oder das Denkmalensemble »Spittel« in Großengottern: An beiden Objekten haben die Teilnehmer vergangener Jahrgänge der Thüringer Jugendbauhütte ihre Spuren hinterlassen. Und auch etliche der 21 Neuen, die im Herbst starteten, werden sich dort handwerklich ausprobieren, Erfahrungen sammeln und vielleicht in ihrem Berufswunsch gestärkt werden. In den vergangenen 13 Jahren haben 301 junge Menschen ein Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege im Freistaat absolviert.

»Die Faszination liegt in der Herausforderung, ein unbekanntes und deshalb völlig neues Terrain kennenzulernen und dann mitzugestalten«, sagt Koordinator Jens Hasert, der von Anfang an die Jugendbauhütte in Mühlhausen koordiniert und im Auftrag der Internationalen Gemeinschaftsdienste (ijgd) fachlich betreut. »Die Jugendlichen arbeiten ohne Erfolgsdruck. Im Mittelpunkt steht das Ausprobieren«, sagt der gelernte Steinmetz und Techniker für Denkmalpflege.

In diesem Jahr sind es in Thüringen 16 Einsatzstellen, darunter erstmals die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora und das Schloss Sonderhausen. Auch in einer Restaurierungsgemeinschaft in Rudolstadt, der »Bauhütte« Volkenroda oder im Baureferat der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland können die Jugendlichen Erfahrungen sammeln. Sie müssen vielleicht auch von manch einer Illusion Abschied nehmen.

Unter dem Dach des »Thüringen Jahres« können sich Jugendliche zwischen 16 und 26 Jahren in einem Freiwilligen Jahr im Sozialen, in Kultur, Sport, in Umwelt und Naturschutz oder in der Denkmalpflege ausprobieren und engagieren. Geregelt ist dies nach Angaben des Bildungsministeriums im Jugendfreiwilligengesetz. Zwischen sechs und zwölf Monate dauere so ein Einsatz, um am Ende auch ein Zertifikat oder Zeugnis zu erhalten, erklärte ein Sprecher.

Im Monat erhalten die Teilnehmer im Schnitt 706 Euro. Darin enthalten sind 300 Euro für Taschengeld, Unterkunft, Verpflegung, Sozialversicherung und eine pädagogische Begleitung. Finanziert wird das »Thüringen Jahr« überwiegend vom Bund, aus dem Europäischen Sozialfonds und dem Freistaat. Thüringen steuere jährlich 700 000 Euro bei. Rund 1,7 Millionen Euro kommen von der Europäischen Union. Außerdem beteiligen sich die Einsatzstellen monatlich mit 230 bis 460 Euro an den Ausgaben.

In Thüringen haben diesmal rund 1000 junge Frauen und Männer in 872 Stellen ein Freiwilliges Jahr begonnen. Regen Zuspruch hat nach Angaben des Umweltministeriums das ökologische Jahr. Allein 150 Plätze stellten fünf Träger, darunter der Bund Evangelischer Jugend in Mitteldeutschland, die Naturfreundejugend oder die Gemeinnützige Gesellschaft für Jugend- und Sozialarbeit Kölleda, bereit.

Zu den landesweit aktiven 19 Trägern gehören die Internationalen Gemeinschaftsdienste (ijgd) mit der Jugendbauhütte. »Es geht um die Faszination für alte Bauten und Handwerkstechniken«, erklärt Hasert das Anliegen. Dies jungen Leute zu vermitteln, sei eine dankbare Aufgabe. Die Zeit in Handwerksfirmen, Architekturbüros, Restaurierungswerkstätten und Verwaltungen verändere sie, meint er. Sie können auch eigene Projekte betreuen wie Thomas Freitag im Stadtarchiv Mühlhausen. Er fertigt einen digitalen Katalog für Landkarten aus dem 18. Jahrhundert an. Der 19-Jährige aus Dessau (Sachsen-Anhalt) hat hier seine Traum-Einsatzstelle gefunden, will er doch einen Beruf im Archivwesen erlernen.

Der vergangene Bauhütten-Jahrgang verabschiedete sich jedenfalls mit folgenden Einschätzungen: »Eine spannende Zeit«, »Eine wichtige Erfahrung«, »Mein Einstieg ins Berufsleben« oder auch »Nun weiß ich, was ich nicht werden will«. Unter ihnen war die 20-jährige Heide Henriette Hahn aus Brüssel, die im Kreiskirchenamt in Mühlhausen eingesetzt war. »Die Büroarbeit ist nicht mein Ding«, sagt sie rückblickend. Sie hatte Kontakte zu Restauratoren und schaute eine Woche lang einer Restauratorin über die Schulter. Nach dem Freiwilligenjahr steht ihr Berufswunsch fest: Restauratorin. dpa/nd

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