Kein Erbarmen für Geflüchtete

Protest und Appelle vor erster Sammelabschiebung

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.

Einen Tag nach der Entscheidung über das Bundeswehrmandat in Afghanistan am Donnerstag wird der Bundestag am Freitag über Anträge von Linksfraktion und Grünen entscheiden, die die Abschiebung von Flüchtlingen in das Land am Hindukusch verhindern wollen. Bereits zwei Tage zuvor, an diesem Mittwoch, ist eine erste Sammelabschiebung geplant - organisiert ausgerechnet vom einzigen Bundesland mit einem grünen Ministerpräsidenten, Baden-Württemberg. Rund 50 Menschen sollen betroffen sein. In Dresden organisiert eine Gruppe afghanischer Jugendlicher eine Demonstration gegen Abschiebungen, die am Samstag stattfinden soll. Der Hamburger Flüchtlingsrat appellierte am Dienstag, die Rückführung zweier Flüchtlinge aus Hamburg mit dieser Sammelabschiebung zu verhindern und eine Härtefallkommission einzusetzen. Hier ging es auch um einen 24-jährigen Hindu; die Angehörigen seiner religiösen Minderheit sind in Afghanistan auf besondere Weise gefährdet. Von einst 100 000 Hindus und Sikhs sind noch um die 2500 übrig.

Die Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen beteiligen sich nicht an der Sammelabschiebung. Sie beharren darauf, dass erst einmal eine vom Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in Aussicht gestellte und mit dem UN-Flüchtlingsrat (UNHCR) und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) abgestimmte Lageeinschätzung vorgelegt wird. Die hessische LINKE brachte am Dienstag einen Antrag im Landtag ein, um eine Aussetzung der Abschiebungen zu erwirken. Doch die Reaktion der Landtagsmehrheit im schwarz-grün regierten Hessen dürfte ebenso vorauszusagen sein wie die des Bundestages am Freitag. Die beteiligten Bundestagsausschüsse haben sämtlich die Ablehnung der Oppositionsanträge empfohlen.

In diesen wird die Bundesregierung aufgefordert, sich gegenüber den Bundesländern für eine Aussetzung der Abschiebungen einzusetzen. Doch muss man die Bundesregierung selbst als Auslöser des Sinneswandels ansehen, der das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge offenbar erfasst hat. Von 77 Prozent der afghanischen Asylverfahren, in denen 2015 noch Schutz zugestanden wurde, sank die Quote im ersten Quartal 2016 auf 52 Prozent, und im August lag sie bei 48 Prozent.

Asylanträge von rund 14 000 Afghanen seien 2016 bereits abgelehnt worden, teilte die Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl mit - dies sei oft ohne Prüfung des individuellen Fluchtschicksals geschehen. Im November 2015 habe die Bundesregierung beschlossen, die Entscheidungsgrundlagen des BAMF zu überarbeiten und anzupassen«, um eine »Intensivierung der Rückführungen« zu ermöglichen, zitiert Pro Asyl aus einer Verordnung. Im Angesicht der bevorstehenden ersten Sammelabschiebung ausgerechnet in Baden-Württemberg empörte sich Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, diese könnten sich die Grünen »ans Revers heften«. Während deren Geschrei nach Menschenrechten sehr groß sei, wenn es darum gehe, Militäreinsätze zu legitimieren, sei das Leben afghanischer Flüchtlinge offensichtlich zweitrangig.

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