Unterhaltsreform kommt später

Länder und Kommunen blockieren, weil sie Kosten und bürokratischen Aufwand fürchten

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.

Lange haben Bund und Länder um die Neuregelung ihrer Finanzbeziehungen gerungen. Nach zähen Verhandlungen hatte man sich in der vergangenen Woche geeinigt: Der Bund erhält mehr Kompetenzen und Kontrollmöglichkeiten, die Länder im Gegenzug mehr Geld: ab 2020 jährlich 9,7 Milliarden Euro. Das Bundeskabinett machte den Weg am Mittwoch frei und beschloss das entsprechende Gesetzespaket. Doch noch sind einige Streitpunkte nicht ausgeräumt. Das Bundesfamilienministerium etwa drängt auf eine Zustimmung der Länder zu einer Reform des Unterhaltsvorschusses für Alleinerziehende. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) will den Vorschuss ausweiten. Bislang wird er für eine Dauer von höchstens sechs Jahren gezahlt. Wenn das Kind 12 wird, läuft die Unterstützung aus. Schwesig will das ändern: Bis zum 18. Lebensjahr soll die öffentliche Hand einspringen, wenn der Partner nicht zahlen kann. Auch die Begrenzung auf maximal sechs Jahr soll fallen. Das im Kabinett bereits im Oktober verabschiedete Gesetz, sollte zum 1. Januar 2017 in Kraft treten. Doch der Zeitplan ist nicht zu halten, wie Schwesig am Mittwoch gegenüber »Deutschlandfunk« einräumte. Schuld seien vor allem die Kommunen, die eine Kampagne gegen die Reform führten.

Tatsächlich mauern hier Länder und Kommunen. So ist die Finanzierung strittig. Bislang übernimmt der Bund ein Drittel, die Länder müssen zwei Drittel der Kosten tragen. Die Reform würde den Kreis der Anspruchsberechtigten ausweiten und dementsprechend teuer werden. Die Länder müssten 530 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr aufbringen. Schwesig verwies am Mittwoch auf die 9,7 Milliarden Euro, die der Bund zusätzlich bereitstelle. Davon sollten die Länder »ein paar hundert Millionen Euro locker machen, um Kinderarmut zu bekämpfen«.

Doch die Länder können nur über einen Teil der Summe frei verfügen. Die Bundesregierung selbst erklärte am Mittwoch: »Einige Zahlungen, die der Bund heute schon leistet, sind in der neuen Summe enthalten, etwa die Überweisungen für den 2019 auslaufenden Solidarpakt sowie zum Ausbau von kommunalen und öffentlichen Verkehrsmitteln.« Der Ministerin stehen also noch harte Verhandlungen bevor.

Zumal es auch Irritationen um die Zahl der Kinder gibt, die von der Reform profitieren würden. Schwesig geht es konkret um Alleinerziehende, die nur wegen des fehlenden Unterhalts auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind. Im »Deutschlandfunk« erklärte sie am Mittwoch, insgesamt profitierten rund 100 000 Kinder. Eine Ministeriumssprecherin schlüsselte die Zahlen am Mittwoch für »nd« auf: Man rechne mit 70 000 Kindern, die wegen des erweiterten Unterhaltsvorschusses »künftig kein SGB II (Hartz IV) mehr beziehen müssten«. Hinzu kämen »jene 34 000 Kinder, deren Mütter Unterhaltsvorschuss bekommen und nicht SGB II«. Das macht zusammen 104 000. Die Sprecherin kam am Mittwoch auf insgesamt 226 000 Hartz-IV-Kinder, die man durch die Reform erreiche. Mathematik für Fortgeschrittene.

Klar ist jedoch, dass die meisten Kinder im Hartz-IV-Bezug leer ausgehen werden, weil ihre Mütter nicht arbeiten bzw aufstocken. Bei ihnen wird der Vorschuss als Einkommen gewertet, das die Jobcenter entsprechend anrechnen. Eben an diesem Prozedere stört sich der Deutsche Städte- und Gemeinde Gemeindebund (DStGB). Alexander Handschuh, Vize-Sprecher des DStGB, bezeichnete die Reform gegenüber »nd« als »sinnvoll«. Die Kommunen sähen den damit verbundenen bürokratischen Aufwand aber mit Sorge. Da der Unterhalt eine vorrangige Leistung sei, müssten Alleinerziehende erst diesen bei der Kommune beantragen, bevor das Jobcenter diese als Einkommen anrechne. »In 87 Prozent der Fälle betreiben wir den Aufwand umsonst«, so Handschuh.

Hier aber zeichnet sich ein möglicher Kompromiss mit den Kommunen ab. Im Gespräch mit dem »Deutschlandfunk« schlug Schwesig am Mittwoch vor, »dass die Bundesregierung sich zunächst ein halbes Jahr selbst um die Fälle kümmert, die jetzt noch Hartz IV beziehen«. Somit könnten sich die Kommunen auf die tatsächlich anspruchsberechtigten konzentrieren. Handschuh begrüßte den Vorschlag.

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