Hanko - schöner Ort mit trauriger Geschichte
Finnlands südlichste Stadt an der Ostsee ist nicht nur für Touristen eine Reise wert
Das rund 10 000 Einwohner zählende Städtchen - 54 Prozent von ihnen haben Finnisch und 44 Prozent Schwedisch als Muttersprache - ist fast in allen Himmelsrichtungen von Sandstränden umgeben, auf denen hölzerne weiße Badehäuschen wie auf einer Postkarte aus dem Jahr 1900 sitzen. Damals war Hanko Badeort der russischen Oberschicht. Mehrere pittoreske Jugendstilbauten wie das Casino oder auch die Villa Maija erinnern daran.
Wie ein von drei bronzenen Schwänen gekröntes Denkmal am Strand erzählt, nahmen von 1880 bis 1930 viele finnische Auswanderer in Hanko Abschied von ihrer Heimat. Von den rund 400 000 Bewohnern Suomis, die vor allem nach Nordamerika und Australien zogen, bestiegen 250 000 hier ihre Dampfer und erreichten unter den Mauern der auf drei Schären errichteten russischen Hafenfestung das offene Meer.
Die Russen waren schon 1714 während des Großen Nordischen Krieges vor Hanko aufgetaucht, damals schlug Peter I. die schwedische Flotte in die Flucht. 1809 mussten die Schweden Finnland endgültig an ihre alten Rivalen im Kampf um die Vorherrschaft im Ostseeraum abtreten - bis das Land 1917 seine Unabhängigkeit erreichte.
Hanko ist seit Jahrhunderten ein bekannter Ostseehafen. Im »Hechtdarm«, einem schmalen Sund zwischen zwei vorgelagerten Inseln, haben die Seefahrer in alten Zeiten gutes Wetter abgewartet und hier ihre Namen, Wappen und kurze Berichte in die Felsen geritzt - als »Gästebuch der Schärenwelt« ein ebenso spannendes Ausflugsziel wie der mit 52 Metern höchste Leuchtturm Nordeuropas auf der Insel Bentskär.
Ähnliche Inschriften, wenn auch weitaus weniger, kann man auf den Klippen direkt am Stadtstrand von Hanko finden. Eine von ihnen - »Roter Bastard« - hat sich der Bildhauerin Catharina Kajander tief ins Bewusstsein gegraben. Sie selbst ist ein solches Kind, das ihrer Mutter während des Bürgerkrieges 1918 weggenommen wurde. In Hanko landete damals die deutsche Ostseedivision, um den »Weißen« bei der Niederschlagung der Revolution Schützenhilfe zu leisten. Dazu gehörte auch die Internierung und Tötung vieler Hankoer Rotgardisten, darunter Cajanders Großvater. Den Opfern jener Tage hat die Bildhauerin mit ihrem Torso »1918« ein Denkmal gesetzt - ein Kunstwerk, das sie vor zwei Jahren auch am Ort des Geschehens ausstellte.
Doch dies war nicht die einzige dramatische Episode in Hankos Geschichte, an die ein hohes granitenes Denkmal am Strand erinnert. Als Finnland 1940 im Winterkrieg den Kürzeren zog, musste es Hanko für 30 Jahre als Flottenbasis an die Sowjetunion verpachten. Doch diese Ära währte nicht lange. Nach dem Eintritt Finnlands in den Zweiten Weltkrieg an der Seite Hitlerdeutschlands eroberten Suomis Soldaten Hanko nach schweren Gefechten alsbald zurück - dramatische Vorgänge, die sich in der sehr wechselvollen Historie jenes Denkmals widerspiegeln, die in einem Schaukasten dokumentiert wird. Das 1921 erstmals errichtete Mal gedachte vor allem der Hilfe der Ostseedivision für die »Weißen«. Damit konnten sich die sowjetischen Militärs, die 1940 hier einzogen, nicht anfreunden und rissen es ab. Die zurückgekehrten Finnen erbauten sogleich ein neues Denkmal, mit dem sie nicht nur den Ostseedivisionären, sondern auch den verbündeten Hitlertruppen mit martialischen Worten überschwänglich huldigten - was nach Kriegsende wiederum die sowjetisch geführte Alliierte Kontrollkommission nicht duldete: wieder Abriss. 1960 erstand das Denkmal erneut, diesmal mit der schlichten Inschrift »Für unsere Freiheit«.
Wenn auch an verschiedenen Plätzen der weitläufigen Kommune Festungsmauern, Kanonen, ein »Frontmuseum« und Grabanlagen an alte Schlachten erinnern, so bietet sich Hanko als ein heiterer maritimer Ort mit vielen Restaurants, Hotels und Pensionen dar. Kunst- und Literaturfreunde können in sieben Kunstgalerien und Marias Antiquariat frönen oder dem Geburtshaus Tapio Wirkkalas, des berühmtesten finnischen Glasdesigners, einen Besuch abstatten.
Das Fremdenverkehrsamt wirbt nicht nur mit Elch- sondern auch Robbensafaris und vielen Kreuzfahrten in die Schärenwelt. Zudem gilt Hanko als ein Eldorado für Taucher und als einer der besten Surfpunkte Finnlands. Der Yachthafen ist der größte des Landes - echte finnische Sauna in der Gebühr inbegriffen.
Infos: Touristbüro der Stadt Hanko, Raatihuoneetori 4, 10900 Hanko, Tel.: (0035) 19 220 34 11, www.hanko.fi (auf deutsch)
Mail: tourist.office@hanko.fi
Hanko ist mit Fähre von Rostock aus in 22 Stunden zu erreichen.
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