Zypernlösung ist greifbar nahe

In Genf beginnen hochkarätige Verhandlungen über die Zukunft der Insel

  • Christiane Sternberg, Nikosia
  • Lesedauer: 4 Min.

Ob es im Sommer zu einer Wiedervereinigung Zyperns kommt, entscheidet sich in dieser Woche. Bei dem Treffen in Genf wollen sich nicht allein die Vertreter von Zyperngriechen und Zyperntürken über grundsätzliche Fragen einigen. Am Donnerstag sind darüber hinaus auch die internationalen Akteure des Zypernproblems dazugebeten, um die Weichen für die Zukunft zu stellen.

Es ist ein Handel um Macht und Pfründe, den sich der Präsident der Republik Zypern, Nikos Anastasiades, und das Oberhaupt der Zyperntürken, Mustafa Akinci, unter Supervision des UN-Sonderbeauftragten Espen Barth Eide liefern werden. Drei Tage lang soll es um die Verteilung der Regierungsgewalt in einem wiedervereinten Zypern gehen, um Rückgabe und Entschädigung von den bei der Flucht 1974 zurückgelassenen Grundstücken und um die Territoriumsaufteilung der künftigen zwei Bundesländer des neuen föderalen Staates.

Bei dieser Agenda gibt es einige harte Nüsse zu knacken. Die Zyperntürken streben eine rotierende Präsidentschaft an, die Zyperngriechen lehnen das rundweg ab. Die griechischen Zyprer wollen so viel wie möglich ihres alten Besitzes zurück, die andere Seite ist bestrebt, den Zuzug von Zyperngriechen in Gebiete mit türkisch-zyprischer Mehrheit zu vermeiden. Und schließlich beanspruchen beide Seiten den Ort Morphou/Güzelyurt für sich.

Morphou ist der alte griechische Name der 19 000-Einwohner-Stadt im türkisch besetzten Nordteil Zyperns. Dort heißt er seit der Invasion Güzelyurt. Dessen Umgebung ist ein für seine Zitrusfrüchte bekannter Landstrich, der vor 1974 fast ausschließlich von Zyperngriechen bewohnt wurde und wirtschaftliches Potenzial hat.

Sollten sich die zyprischen Politiker am grünen Tisch über diese Fragen einig werden, soll ab Donnerstag eine Fünf-Parteien-Konferenz zu dem Problem tagen. Dabei geht es u. a. darum, ob ein wiedervereintes Zypern eine internationale Aufsicht braucht. Als Beobachter sind die EU und die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates eingeladen, denn es geht letztendlich beim Thema Zypern auch immer um die Stabilität in der gesamten Region. Gemeinsam mit Vertretern der drei Garantiemächte Großbritannien, Griechenland und Türkei diskutieren Anastasiades und Akinci darüber, ob der bisherige Garantiestatus ein historischer Anachronismus oder notwendige Schutzmaßnahme ist.

Als 1960 die Republik Zypern gegründet wurde, übernahmen die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien sowie die Mutterländer der beiden Volksgruppen die Aufgabe, über die Einhaltung der Verfassung zu wachen. Am 15. Juli 1974 putschten Offiziere der griechisch-zyprischen Nationalgarde mit Unterstützung der griechischen Militärjunta in Athen gegen den Präsidenten der Republik Zypern, Erzbischof Makarios.

Die nahm den Putsch zum Anlass, militärisch zu intervenieren. Mit Hilfe einer 40 000 Mann starken Armee besetzte Ankara den Nordteil Zyperns, rund 37 Prozent des Inselterritoriums. Bis heute sind 35 000 türkische Soldaten im Norden Zyperns stationiert. Nicht allein die Insel, auch die Hauptstadt Nikosia ist seitdem geteilt. Die Türkei nennt ihren Einmarsch »Friedensmission«, bei der sie die türkisch-zyprische Bevölkerung »vor der Ausrottung rettete«. Die Zyperngriechen sprechen von einer Invasion, in deren Ergebnis der Norden ihrer Heimat türkisch besetzt ist.

Griechenland und Großbritannien erklären, dass eine wiedervereinte Republik Zypern als EU-Mitgliedsstaat keine Beaufsichtigung von Dritten braucht. Auch die Zyperngriechen sind strikt dagegen und verlangen, dass die türkische Armee spätestens vier Monate nach der Wiedervereinigung abzieht. Die Türkei und die Zyperntürken wollen an der Garantie festhalten und plädieren für eine mehrjährige Übergangsfrist für die Entmilitarisierung des Nordens.

Sollten sich alle offenen Grundsatzfragen in dieser einen Woche klären lassen, ist tatsächlich Mitte des Jahres eine Wiedervereinigung Zyperns möglich. Die kommenden Monate wären ausgefüllt damit, die Details auszuarbeiten und die zyprische Bevölkerung ausreichend mit dem fertigen Plan vertraut zu machen. Anschließend soll das Volk in zwei getrennten Referenden über Wohl oder Wehe der Vereinbarung entscheiden.

Doch schon jetzt schwelt die Unsicherheit in den Köpfen. Die meisten Zyperngriechen befürchten, einen funktionierenden und verlässlichen EU-Mitgliedsstaat gegen ein Konstrukt eintauschen zu sollen, dessen Regierungs- und Verwaltungsstrukturen unausgegoren scheinen. Die Zyperntürken treibt die Sorge um, sie könnten als zahlenmäßige Minderheit nicht gleichberechtigt an Entscheidungen in der gemeinsamen Republik teilhaben können.

Letztendlich wird beide Seiten nur ein akribisch ausgearbeitetes Regelwerk, wenn schon nicht überzeugen, dann doch zumindest beruhigen können. Aber nicht alles lässt sich vertraglich absichern, auch guter Wille und Kompromissbereitschaft sind gefragt, um gemeinsam das aufzubauen, wovon die Zyprer schon seit über 40 Jahren träumen - die Teilung ihres Landes zu überwinden.

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