Schmerzensgeldanspruch gegenüber Heilpraktiker

Urteile im Überblick

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Unterlaufen ihm darüber hinaus noch Behandlungsfehler, wird dies bei der Bemessung des Schmerzensgelds berücksichtigt. Für eine 2×3 Zentimer große Brandnarbe sind 2500 Euro angemessen, wie die AG Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) unter Bezug auf ein Urteil des Landgerichts Bonn vom 19. Juni 2015 (Az. 9 O 234/14) mitteilte.

Im verhandelten Fall suchte ein Mann eine Naturheilpraxis auf. Er klagte über Spannungsschmerzen an den Augen und geschwollene Augenlider. Der Heilpraktiker wollte unter anderem mit einer Wärmebehandlung (Moxabustion) dagegen vorgehen. Er wies den Patienten schriftlich darauf hin, dass es in »seltenen Fällen« zu Brandblasen kommen könne.

Der Heilpraktiker setzte Nadeln, auf denen Kräuterwatte verbrannt wurde. Als Folge der Behandlung kam es am Sprunggelenk zu einer Brandblase, die eine 2×3 Zentimeter große Narbe hinterließ. Der Patient verlangte Schmerzensgeld und Schadenersatz.

Er hatte mit seiner Forderung Erfolg. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige stellte fest, dass entweder die Nadel am Sprunggelenk zu kurz gewesen oder die Kräuterwatte herabgefallen war. Außerdem kam er zu dem Ergebnis, dass der Hinweis in der Patientenaufklärung »in seltenen Fällen« falsch war. Seiner Meinung nach besteht die Gefahr von Brandblasen bei dieser Art der Behandlung »oft«, nämlich etwa bei einem Prozent.

Patienten dürften sich bei den Formulierungen »in seltenen Fällen« und »oft« an den Beipackzetteln von Arzneimitteln orientieren. »In seltenen Fällen« heiße daher in mehr als 0,01 Prozent und weniger als 0,1 Prozent der Fälle, also bei einem bis zehn von 10 000 behandelten Patienten.

Außerdem sei die Behandlung völlig ungeeignet gewesen, um die Beschwerden zu lindern. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass auch andere Heilpraktikermethoden hätten angewendet werden können. Bei dieser Art der Behandlung hätte zudem der Patient ständig beaufsichtigt werden müssen, um Brandblasen zu vermeiden. Das Landgericht hielt ein Schmerzensgeld in Höhe von 2500 Euro für angemessen. DAV/nd

Unzulässige Hartz-IV- Leistungsbegrenzung

Ein Jobcenter muss die Kosten für die Erneuerung einer defekten Gasheizung ungeachtet der Frage der Angemessenheit der Wohnkosten tragen, wenn es zuvor der langzeitarbeitslosen Hauseigentümerin keine Kostensenkungsaufforderung zugestellt hat.

Dies hat das Sozialgericht Dortmund am 19. September 2016 (Az. S 19 AS 1803/15) im Falle einer Bezieherin von Arbeitslosengeld II aus Lüdenscheid entschieden, die mit ihrem Sohn ein eigenes Reihenhaus bewohnt.

Das Jobcenter Märkischer Kreis gewährte auf die Kosten von ca. 5200 Euro für die Erneuerung einer defekten Gasbrennwertheizung lediglich einen Zuschuss von 6,60 Euro, weil im Übrigen die angemessenen Wohnkosten für einen Zwei-Personen-Haushalt in Lüdenscheid überschritten würden. Es könne für den verbleibenden Betrag nur ein Darlehen gewährt werden.

Die dagegen von der arbeitslosen Mutter bei dem Sozialgericht Dortmund erhobene Klage hatte Erfolg. Das Gericht verringerte die Darlehensschuld der Klägerin bei dem Jobcenter, weil die Behörde die Aufwendungen für die Heizungserneuerung als Instandhaltungskosten zu tragen habe.

Bei selbstbewohntem Wohneigentum würden nach § 22 Abs. 2 SGB II als Bedarf für die Unterkunft auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der laufenden und der folgenden Aufwendungen insgesamt angemessen seien.

Es könne dahinstehen, ob die Wohnkosten, wie von dem Jobcenter angenommen, unangemessen seien. Jedenfalls habe die Behörde es versäumt, vorab der Klägerin eine Kostensenkungsaufforderung zuzustellen. Das Erfordernis der Kostensenkungsaufforderung gelte für Mietwohnungen wie für selbstbewohntes Wohneigentum. Hier seien Mieter und Eigentümer als Grundsicherungsbezieher gleich zu behandeln. nd

Rente wegen Haushaltsführungsschadens auch für über 75-jährige

Nach einem schweren Unfall wird oft der Haushaltsführungsschaden vergessen. Bisher haben viele Gerichte diesen bis zum 75. Lebensjahr begrenzt. Dies entspricht aber nicht mehr der heutigen Lebenssituation, so dass auch über das 75. Lebensjahr hinaus Anspruch auf einem Haushaltsführungsschaden besteht.

Die AG Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informierte über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz vom 18. April 2016 (Az. 12 U 996/15).

Wer aufgrund eines Unfalls seinen Haushalt nicht mehr oder nur teilweise selbst führen kann, hat Anspruch aus dem sogenannten Haushaltsführungsschaden. Müssen Angehörige im Haushalt wegen des Unfalls helfen, kann auch dafür ein Anspruch entstehen. Dies gilt auch, wenn eine andere Person damit beauftragt werden muss. Dieser Ausgleich wird dem Unfallopfer ausgezahlt, auch in Form einer Rente. Die überwiegend ältere Rechtsprechung hat diesen Anspruch bis zur Vollendung des 75. Lebensjahres begrenzt.

Nach Überzeugung des Oberlandesgerichts ist es nicht mehr zeitgemäß, die Bezugsdauer der Rente wegen eines Haushaltsführungsschadens auf das 75. Lebensjahr zu begrenzen. Die Lebenserwartung der Menschen und ihre Selbstständigkeit im Alter würden steigen. Daher müsse man davon ausgehen, dass auch Personen über 75 Jahre ihren Haushalt noch selbstständig führten.

Anderes könne nur gelten, wenn es daran Zweifel gäbe. Dieser sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, deshalb müsste die Rente über die Vollendung des 75. Lebensjahres hinaus weitergezahlt werden. DAV/nd

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