Kalinka tanzen mit den Medien

Maria Sacharowa - ein Orden für die Sprecherin des russischen Außenamtes. Von Klaus J. Herrmann

  • Klaus J. Herrmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Auch nach dem Amtsantritt der neuen US-Administration werde es keinen »Triumph der Freundschaft« geben, begrüßte die Sprecherin des russischen Außenamtes den neuen Chef des Weißen Hauses. Maria Sacharowa tat es auf ihre Weise. Während Donald Trump twittert, ist ihr bevorzugtes Medium eine persönliche Facebook-Seite. Die lässt Spielraum. Den kann sie ausfüllen, hat aber auch offiziell bislang keine Scheu erkennen lassen. Als »Coming out der Loser« machte sie die Verschärfung von US-Sanktionen gegen Russland durch die scheidende Obama-Administration verächtlich und nannte »amerikanische Beschränktheit schlimmer als Terrorismus«. Die Sprecherin des Amtes am Moskauer Smolensker Platz vermutet schon mal als vorgeblich »anonyme Quellen« des Nachrichtenkanals CNN »Abwasserkanäle« und fragt provokant anlässlich der Resolution des EU-Parlaments gegen russische Propaganda: »Kommen bald auch wieder Bücherverbrennungen?«

Das mag manche Politiker und Journalisten verstimmen. So konnte überraschen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin der ebenso wortgewaltigen wie -gewandten offiziellen Vertreterin des Außenministeriums Ende Januar im Jekaterinensaal des Kreml den »Orden der Freundschaft« an den dezent gemusterten dunkelblauen Blazer heftete. Das war der 41-Jährigen ein weniger gewohntes sehr gelöstes Lächeln wert.

Als erste Frau im Sprecheramt dieses Ministeriums ist Maria Sacharowa sicher noch keine Alexandra Kollontai. Die wurde 1923 zur Gesandten der Sowjetunion in Norwegen berufen und gilt als erste akkreditierte Diplomatin weltweit. Auch der Titel einer Botschafterin ist der Absolventin der Fakultät für Internationale Journalistik/Orientalistik des renommierten Moskauer Instituts für internationale Beziehungen (MGIMO) und promovierten Historikerin noch nicht verliehen worden. Sie hält derzeit beim Rang einer Beraterin 1. Klasse. Doch Vorgänger wie Vizeaußenminister Grigori Karassin, Witali Tschurkin, Botschafter bei der UNO, und Alexander Lukaschewitsch, Ständiger Vertreter bei der OSZE, weisen auf Stufen der Karriereleiter.

Die Tochter sowjetischer Diplomateneltern spricht mit Russisch, Englisch und Chinesisch die Sprachen dreier Vetomächte des UN-Sicherheitsrates. Ihre Kindheit verbrachte sie in Peking, war Pressesekretärin des UNO-Vertreters in New York. »Ich habe nicht gedacht, dass das, worüber die Religionen sprechen, der Kampf zwischen Gut und Böse, in dieser Weise vor unsere Augen stattfinden wird und dass ich das fast jeden Tag erleben werde«, vertraut sie später Kollegen an. Seit 2003 ist sie im Ministerium für Außenwirkung zuständig, wird in schwieriger Zeit eine Propagandistin mit Reichweite. Sie habe seit 2013 die russische Diplomatie erfolgreich in die sozialen Netzwerke gebracht, loben Kenner wie Nikolai Surkow. Moderne Kommunikation ist inzwischen Alltag einer traditionell vorsichtigen Einrichtung.

Die Chefin des Departements Information weiß, was Worte wiegen und wie sie zu setzen sind. Sie korrigiert auch schon mal einen bekannt empfindlichen ausländischen Staatschef. »Schade, dass Russland wegen zweier Piloten einen Freund wie die Türkei verloren hat«, klagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan. »Wollen wir nun die Worte in die richtige Reihenfolge bringen«, gab ihm Frau Sacharowa Bescheid. »Russland hat wegen der Türkei zwei Piloten verloren.« Sichtlich bewegt erinnert sie sich in einem Interview zum Syrienkonflikt der Worte ihrer Großmutter, dass es nichts Schrecklicheres gebe als Krieg: »Dann gibt es keine Guten und keine Bösen mehr, dann gibt es nur den Krieg.« Maria Wladimirowna taugt nicht recht als Bild einer bösen russischen Bärin.

Die Sprecherin ist nicht nur Stimme ihres Dienstherrn Sergej Lawrow, sie verleiht der Außenpolitik zuweilen eine persönliche Färbung. Das Amt gibt ihren Worten Gewicht, sie aber auch amtlichen Äußerungen Schwung. Die Diplomatin verleiht sogar der offiziellen Dienstuniform Chic. Freunde schätzen ihre Klarheit und Direktheit, Kritiker beklagen Bissigkeit, Schärfe, Aggressivität. In Debatten geht die Stimme schon mal eine halbe Oktave höher, kippt aber nicht in schmerzlichen Diskant. Das wäre für eine Russin nicht unüblich.

Ein ungewöhnlicher Auftritt vor Journalisten beim Russland-ASEAN-Gipfel im Mai 2016 in Sotschi lässt sich bei YouTube verfolgen: Die Sprecherin tanzt auf ihren Hochhackigen elegant und sicher das legendäre Kalinka. Nicht zufällig hochgeladen wird der Auftritt von Auslandsmedien wie »Sputnik« und »Russia Today«. Vielleicht kommt Maria Wladimirowna irgendwann noch mit Hobbys wie Rollschuhlaufen oder Sportschießen ins weltweite Netz.

Wer einmal in den Sesseln des Moskauer Pressezentrums versunken ist, weiß um traditionelle Präsentation von Personen und Informationen. Am 10. August 2015 jedoch, schwärmen russische Beobachter, habe mit der Ernennung Maria Sacharowas eine neue Ära begonnen. Der Politologe Dmitri Babitsch nennt sie »ein Symbol der neuen Taktik des Außenministeriums, ein Symbol des neuen Stils«. Um dem Publikum russische Außenpolitik näherzubringen, brauche man eine »interessante Persönlichkeit«.

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