Referendum oder Referendum

Durch das Einlenken der linksradikalen CUP wurde in Katalonien die parlamentarische Mehrheit erreicht

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie ist das Zünglein an der katalanischen Waage: die linksradikale CUP. Sie toleriert die bürgerliche katalanische Minderheitsregierung der sozialliberalen Gemeinschaftsliste »Junts pel Sí« (Gemeinsam für das Ja). Im vergangenen Sommer hatte die CUP den Haushalt der »Junts pel Sí« abgelehnt. Damit wurde der »Prozess«, wie der Unabhängigkeitsweg in Katalonien genannt wird, in Gefahr gebracht. Da die Basis der CUP sich über die Haushaltstolerierungsfrage selbst uneinig war, geriet sie nahe an die Spaltung. Sie konnte vermieden werden und 2017 ist alles anders: Die CUP will den kommenden Haushalt mittragen, um den Unabhängigkeitsprozess voranzutreiben, der noch dieses Jahr in ein darüber entscheidendes Referendum münden soll.

Die CUP hat nicht bedingungslos ihre Haltung geändert: Sprecher Quim Arrufat warnte die neue christdemokratische »Katalanische Europäische Demokratische Partei« (PDeCAT) und den aus ihren Reihen stammenden Regierungschef von »Junts pel Sí«, Carles Puigdemont, dass die Entscheidung daran gebunden sei, spätestens im September das Referendum durchzuführen. Sonst werde »die CUP der Regierung die Unterstützung entziehen und Neuwahlen provozieren«. Damit hat die CUP den Spieß umgedreht. Im vorigen Jahr hatte Puigdemont mit Neuwahlen gedroht, nachdem die CUP dem Etat die Zustimmung verweigert hatte. Er stellte im Parlament die Vertrauensfrage und erklärte: »Wir werden bis zum letzten Tag mit dem Willen dafür arbeiten, mit dem Zentralstaat ein Referendum abzustimmen.« Das sagte er mit Blick auf die Abstimmung 2014 in Schottland. Zeige Madrid, anders als London, weiter keine Bereitschaft zur Einigung, werde er in der zweiten Hälfte des September auch einseitig eine Abstimmung ansetzen. »Referendum oder Referendum«, sagte Puigdemont.

Oriol Junqueras, Chef der »Republikanischen Linken« (ERC) und treibende Kraft in der Einheitsliste, hat derweil eine Abstimmung noch vor dem Sommer in den Raum gestellt. Vizepräsident Junqueras hält es mit Blick auf die Kriminalisierung für »möglich«, das Referendum vorzuziehen. Er meint, schon bis Sommer könne eine Abstimmung durchgeführt werden, die »üblichen Wahlen« ähnlich sei. Das werde von der internationalen Gemeinschaft immer wieder als Bedingung genannt.

Die Kriminalisierung von katalanischen Politikern erreicht derzeit einen Höhepunkt. So müssen sich Puigdemonts Vorgänger Artur Mas und seine früheren Regierungsmitglieder Joana Ortega und Irene Rigau vor dem Obersten Gerichtshof dafür verantworten, im November 2014 die Bevölkerung in Katalonien über die Unabhängigkeit befragt zu haben. Eine Abstimmung war zuvor vom spanischen Verfassungsgericht verboten worden. Die unverbindliche Befragung war nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ebenfalls verboten. Daran hatten sich mehr als zwei Millionen Menschen beteiligt, wovon sich 81 Prozent für die Unabhängigkeit aussprachen. Mas, Ortega und Rigau sollen sich des »Ungehorsams« und der »Rechtsbeugung« schuldig gemacht haben. Die Staatsanwaltschaft fordert einen »Ausschluss« von öffentlichen Ämtern für zehn Jahre.

Der Prozess gegen von Francesc Homs ist noch nicht angesetzt. Der ehemalige katalanische Regierungssprecher setzt sich zur Wehr. Er reichte am 31. Januar seinerseits Klage gegen den spanischen Regierungschef Mariano Rajoy wegen »Rechtsbeugung« und »Ungehorsam« gegen Verfassungsgerichtsurteile ein, weil zehn Urteile des höchsten Gerichts zugunsten der katalanischen Regierung bisher nicht umgesetzt worden seien.

Klar ist, dass Spanien statt auf Einigung nach Vorbild Großbritanniens und Schottlands auf allen Ebenen auf Repression setzt. So läuft sogar ein Verfahren gegen die Präsidentin des katalanischen Parlaments: Carme Forcadell drohen Amtsenthebung und strafrechtliche Konsequenzen, weil sie im vergangenen Juli eine Debatte über die Unabhängigkeit zugelassen und damit gegen ein Verfassungsgerichtsurteil verstoßen habe. In der »New York Times« schrieb Forcadell am 30. Januar, man habe es mit einem »Angriff« zu tun. Sie habe lediglich ihre Pflicht als Präsidentin getan. »Die Freiheit in Katalonien« stehe genauso wie die »Gewaltenteilung« und die »Meinungsfreiheit« auf dem Spiel. Fest steht: 2017 wird für Katalonien wegweisend.

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