Mit jedemTag dem Nirwana ein Stück näher

Einblicke in laotische Lebensansichten während einer Reise auf dem Mekong nach Luang Prabang

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 6 Min.
»How is the name in German?«, fragt mich Sean, der auf der »Mekong Sun« als Gästebetreuer arbeitet und hält mir einen Teller Gemüsesuppe hin. Sean ist wild auf jedes neue Wort, das er in der Sprache seiner Gäste lernt. Doch mit dem »g« und dem »ü« in »Gemüsesuppe« hat er so sein Problem, es klappt einfach nicht. Nach einer Weile vergeblichen Bemühens strahlt er mich an, sagt »Jemusesuppe« und »Khoptschai lailai«. Was auf Laotisch so viel bedeutet wie »vielen, vielen Dank«. Jetzt bin ich es, die übt - und meine Aussprache ist ganz offensichtlich genauso exakt wie seine von »Gemüsesuppe«. Sean lacht übers ganze Gesicht, und ich habe eine Lektion in laotischer Lebensweise erhalten: Es muss wirklich nicht alles perfekt sein im Leben, das einzig Wichtige ist, man versteht sich, ist tolerant und stets freundlich.

Verdienste fürs Jenseits
Diese Grundhaltung hat ihre Wurzeln im Buddhismus, der das Leben der meisten Menschen hier bestimmt. Das Entscheidende im Leben ist, anderen Gutes zu tun, um irgendwann das Nirwana zu erreichen. Gute Taten sind Verdienste, die sich nach der Vorstellung der Gläubigen ansammeln lassen. Hat man viele Verdienste, gilt eine gute Wiedergeburt als gesichert.
Buddhistische Traditionen werden in Laos sehr ernst genommen, und natürlich versucht man sie auch den Gästen zu vermitteln. Wir erleben das traditionelle Lichterfest »Loi Kratong« mit, bei dem in einer Vollmondnacht im November Orchideengestecke mit Lebenslichtern in den Mekong gesetzen werden. Der trägt - nach buddhistischem Glauben - mit den Blumen alle Sünden des vergangenen Jahres fort, gleichzeitig nimmt er die geheimen Wünsche mit auf die Reise. Auch wenn ich kaum daran glaube, ist es doch eine schöne Vorstellung, dass sich die »Mutter aller Wasser« gemeinsam mit Buddha auch für die Erfüllung meiner Wünsche zuständig fühlt. Dafür zünde ich auch gern noch ein paar Räucherstäbchen zwischen den Blumen an. An diesem Abend sitzen wir noch lange auf einer Sandbank am Lagerfeuer und hören laotische Märchen und Geschichten, die allesamt vom Glück im Dies- und Jenseits der guten Menschen erzählen.
Der nächste Morgen bietet Lernidee-Chef Hans Engberding Gelegenheit, seinem Nirwana ein Stück näher zu kommen. Zwei Bauern stehen vor unserem Schiff und bieten riesige reife Papayas zum Kauf an. Schnell ist man sich einig, stolz zeigt die Bäuerin das Geld immer wieder ihrem Mann und strahlt über das ganze Gesicht. Wer weiß, vielleicht war es ja tatsächlich das erste Geldgeschäft ihres Lebens. Denn in diese Gegend »verirrt« sich nur selten jemand.
Wir fahren weiter flussabwärts. Die Landschaft ist jetzt flach, der Mekong fast zahm, nichts erinnert mehr an den Wellenritt mit der »Mekong Prince« noch vor ein paar Tagen. Ab und an sind einige der traditionell auf Stelzen stehenden Hütten oder ein paar wilde Wasserbüffel zu sehen, manchmal prescht mit ohrenbetäubendem Lärm und enormer Geschwindigkeit eines dieser modernen Motorboote vorbei, die ausschließlich von Touristen und ausländischen Geschäftsleuten genutzt werden. Niemals würden sich Laoten in diese Gefährte setzen, das widerspräche gänzlich ihrer Lebensphilosophie, in der Hektik und Stress unbekannt sind. Ihnen sagt man nach, sie würden ihre Zeit damit verbringen, dem Reis beim Wachsen zuzuhören. Die Grundhaltung vieler Europäer, dass Zeit Geld bedeute und dass das Ziel den (kürzesten) Weg bestimmt, ist ihnen völlig fremd. Ungedreht wird ein Schuh daraus: Das Nirwana erreicht man nur über viele Umwege, die man bedächtig angeht.
Wir legen bei einem Dorf an. »Welcome to« haben die Bewohner auf eine Bombe geschrieben, die die Amerikaner hier im Vietnam-Krieg als »Souvenir« hinterließen. Selbst diesem schrecklichen Erbe, das unendliches Leid brachte, können die Laoten noch Gutes abgewinnen. Die Bombentorsos dienen heute als Schweinetröge, Blumenschalen oder Wegweiser. Zum Beispiel zu einem erst drei Jahre alten Urlauberresort, eine private Investition eines Laoten, die zeigt, dass der Fortschritt keinesfalls im Widerspruch zum Traditionellen stehen muss. Die 20 Zelt-Bungalows sind mit Solarzellen ausgestattet, die für warmes Wasser und Strom sorgen. Viele Besucher kommen aus der fünf Stunden entfernten alten Königsstadt Luang Prabang gern für ein oder zwei Tage hierher, um urwüchsige Dschungellandschaft zu erleben. Ins Gästebuch haben sich Franzosen, Deutsche, Polen, Australier, Japaner, Esten, Tschechen oder Amerikanern eingetragen.

Tausende Buddhas
Etwa zwei Stunden, bevor wir Luang Prabang erreichen, legen wir noch einmal einen Zwischenstopp an den Höhlentempeln von Pak Ou an. Sie gehören zu den bedeutendsten buddhistischen Kultstätten von Laos. Der Legende nach sollen sie 1547 von König Setthathirat gegründet worden sein. Seither brachten Pilger und vorbeikommende Bootsleute kleine Buddhafiguren als Opfergabe hierher. Rund 5000 sollen es einst gewesen sein. Leider haben in den letzten Jahren etliche Touristen die Sache wohl etwas falsch verstanden und genommen statt gebracht, so dass sich die Reihen der kleinen Holz- oder Metallfiguren erheblich gelichtet haben. Seit jedoch keiner der Touristenführer von Luang Prabang vergisst, von Souvenirjägern zu berichten, denen es schlecht erging oder die gar der Tod ereilte, sollen schon einige Figuren den Weg zurück in die Höhlen gefunden haben.
Wir »stehlen« nur mit der Kamera, wohl wissend, damit schrecklichem Ungemach entgangen zu sein und schippern dann weiter in die Königsstadt. Hier laufen uns überall Buddhas Jünger über den Weg; viele Mönche leben und lernen in Luang Prabangs Klöstern und Tempelanlagen. Bevor wir am nächsten Tag die Stadt mit ihren vielen Kunstschätzen, die seit 1995 zum UNESCO Weltkulturerbe zählt, in aller Ausführlichkeit unter die Füße nehmen, steigen wir auf den Hausberg Phou Si, 150 Meter über der Stadt, und erleben einen kitschig-schönen Sonnenuntergang. Den lassen sich allerdings auch alle anderen Touristen nicht entgehen, so dass ich letztlich froh bin, den Abend in sehr kleiner Runde in einem Freiluftrestaurant am Mekong genießen zu dürfen.
Vor dem Zubettgehen gönnen wir uns noch eine traditionelle laotische Fußmassage in einem der vielen Salons der Stadt, die bis zum späten Abend geöffnet sind. Ein himmlisches Vergnügen! Wohlig lasse ich mir fast eine Stunde lang Füße, Beine und letztlich den Nacken kneten und streicheln. Leise Musik schmeichelt den Ohren, exotische Düfte wabern durch den Raum, und ich hänge schönsten Gedanken nach. Ach Buddha, gib der jungen Frau für diese gute Tat einen Extrabonus auf ihr Verdienstkonto für die Ewigkeit!


Infos und Buchung: Lernidee Erlebnisreisen, Eisenacher Straße 11, 10777 Berlin, Tel.: (030) 786-00 00, Fax: -55.96, E-Mail: team@lernidee.de, www.lernidee.de
Reisetermine 2007: 4.8.- 18.8. und 29.9.-13.10. von Jinghong nach Luang Prabang. In die Gegenrichtung: 1.8.-16.8, 26.9.-11.10 und 24.10.-8.11.
Literatur: Michael Schulze, »Laos«, Reise Know-How Verlag, Bielefeld, 19,90 EUR und Jan Düker und Annette Monreal, »Laos«, Stefan Loose Travel Handbücher, Berlin, DuMont Reiseverlag, 22,95 EUR
Teil 1 der Mekongreise finden Sie im ND vom 30./31.12.2006
Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal