Universität nimmt Kündigung von Holm zurück

Stadtsoziologe gibt Falschaussagen in Personalbogen zu / Hochschulpräsidentin spricht Abmahnung aus

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.

An Raum 305 im Sozialwissenschaftlichen Institut der Humboldt-Universität (HU) hängt am Freitagvormittag ein Türschild. »Andrej Holm« steht darauf. Seit Herbst arbeitet der Stadtsoziologe dort nicht mehr, im Januar hieß es, ihm werde gekündigt. Nun wird das Türschild wohl hängen bleiben können: Hochschulpräsidentin Sabine Kunst hat die Kündigung am Freitag zurückgezogen und lediglich eine Abmahnung ausgesprochen.

Kunst erklärte diesen Schritt mit einer Erklärung Holms, in der er zugab, »gegenüber der HU objektiv falsche Angaben hinsichtlich meiner Tätigkeit für das MfS« gemacht zu haben. »Ich bedauere das«, heißt es in der Erklärung weiter, die die Humboldt-Universität am Freitag auf ihrer Homepage veröffentlichte.

Die Hochschule hatte am 18. Januar entschieden, Holm zu entlassen. Der Stadtsoziologe war wenige Wochen zuvor von Bausenatorin Katrin Lompscher (LINKE) zum Wohnstaatssekretär ernannt worden. In dem Zuge kam seine hauptamtliche Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) vor dem Ende der DDR an die Öffentlichkeit. Eine hauptamtliche Tätigkeit hatte Holm allerdings zu Beginn seiner Beschäftigung bei der Humboldt-Universität verneint. Bis zuletzt bestand er darauf, nicht gewusst zu haben, dass es sich um ein Hauptamt gehandelt habe. Das zweifelten viele Experten an.

Präsidentin Kunst hatte daraufhin im Januar erklärt, Holm habe die Universität getäuscht und nie die Gelegenheit ergriffen, sich zu seinem Fehlverhalten zu bekennen. Deshalb habe sie sich entschieden, ihm zu kündigen.

Am Freitag sagte Kunst nun, sie sehe das Vertrauensverhältnis zwar gestört, aber nicht mehr vollständig zerstört. Deshalb habe sie entschieden, statt einer Kündigung eine Abmahnung auszusprechen.

»Ich freue mich, dass ich nach meiner Beurlaubung Ende 2018 an die Uni zurückkehren kann«, sagte Holm dem »nd«. Ihm war die Entscheidung bereits bekannt: »Die Hochschulleitung ist auf uns zugekommen und hat ein Angebot gemacht, mit dem beide Seiten leben können.«

Auch Kunst schreibt in ihrer Erklärung: »Es ist erfreulich, dass wir mit Herrn Holm zu einer gemeinsamen Lösung gekommen sind«.

Das Sozialwissenschaftliche Institut bleibt derweil von Studierenden besetzt. Seit drei Wochen haben rund 50 Kommilitonen und Aktivisten sieben Räume in dem Gebäude eingenommen, um für den Verbleib Holms an der Universität zu protestieren. Die regulären Lehrveranstaltungen sind an andere Standorte ausgelagert worden. Die Studenten haben ein eigenes Veranstaltungsprogramm auf die Beine gestellt, das nach eigenen Angaben gut besucht ist. Am Donnerstagabend sollen rund 150 Menschen teilgenommen haben.

Im Eingangsbereich haben es sich am Vormittag einige Besetzer auf Sofas bequem gemacht, noch wissen sie nichts von der neuen Entscheidung der Hochschule. Überall hängen Plakate, Flyer liegen aus. Das Bündnis »Zwangsräumung verhindern« hat den Studenten einige Tafeln seiner Ausstellung »Kämpfende Hütten« geliehen, die nun im Erdgeschoss als kleine Ausstellung zu sehen sind. In einem der hinteren Räume sind Kaffeekannen aufgebaut. Im Keller wird noch geschlafen.

Als am frühen Nachmittag die Erklärung von Präsidentin Kunst bekannt wird, dass Holm nicht gekündigt wird, schreiben sich einige der Besetzer das als Erfolg zu. Damit muss die Besetzung allerdings nicht beendet sein. Wie es jetzt weitergehen soll, soll am Samstag auf einer Vollversammlung entschieden werden. Längst fordern die Studierenden nicht mehr nur Holms Rückkehr, sondern unter anderem mehr Mitspracherecht bei allen Entscheidungen der Hochschule. »Den Zustand von Demokratie, Lehre und Forschung an der HU kritisieren wir schon lange«, sagt eine Sprecherin. »Andrej Holms Entlassung war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.«

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