Wimmelbild Klassenzimmer

Die AG Schulraumqualität empfiehlt statt geschlossener Räume offene »Lernhäuser«

  • Ellen Wesemüller
  • Lesedauer: 3 Min.

Es sieht aus wie ein Wimmelbild. Die Schule der Zukunft, mit Räumen für ein modernes pädagogisches Lernen. Wobei: Räume sind es nicht. Es sind vielmehr offene Flächen. Auf den Modellzeichnungen schieben sich Kreise über Kreise, Kinder sitzen im Stuhlkreis, liegen in Hängematten, schreiben an Tischen und toben auf Matten. Die Zukunft der Schule gibt es zwar bisher nur auf den Bildern, die am Freitag in der Bildungsverwaltung an die Wand projiziert werden. Neben den Bildern herkömmlicher, Legebatterie-ähnlicher Klassenzimmer wird so jedoch schnell klar, dass hier tatsächlich etwas Neues entstehen wird. »Einen Paradigmenwechsel«, nennt das Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). Weg von der »Pädagogik des 19. Jahrhunderts, die unter Denkmalschutz steht«, sagt Jörg Ramseger, Erziehungswissenschaftler und Grundschulpädagoge der Freien Universität.

Ramseger ist Mitglied der AG Schulraumqualität, die Scheeres im September ins Leben gerufen hatte. Im Laufe des vergangenen Jahres hatten Bezirke und Bildungssenatorin eingestehen müssen, dass ihre bisherige Planung nicht mit den Realitäten der wachsenden Stadt übereinstimmt: Bis 2024/25 müssen 86 000 zusätzliche Schüler Platz finden. Aus dieser Not wollte Scheeres eine Tugend machen und anlässlich des massiven Neubaus gleich die pädagogischen Räume neu konzipieren. Zusammen mit 70 Experten aus verschiedenen Fachbereichen tagte die Arbeitsgemeinschaft seit September 2016 im Wochenrhythmus.

Es ist nicht unbedingt neu, was die Beteiligten in der Bildungsverwaltung präsentieren: Die Zahl der neuzubauenden Schulen ist bekannt (30), der Platzzuwachs pro Schüler auch (12 statt 9 Quadratmeter), Gelder für Schulneubau und Sanierung in den nächsten Jahren (5,5 Milliarden Euro) und Geldgeber ebenso (voraussichtlich eine Landesgesellschaft). Sogar die »Lernhäuser«, wie die modularisierten Schulräume im Pädagogik-Sprech genannt werden, sind bekannt: Rainer Schweppe, Leiter der Arbeitsgemeinschaft, hatte sie bereits in Herford und München umgesetzt. Auch in Berlin gibt es einige Exemplare, so an der Hannah-Höch-Schule im Märkischen Viertel.

Neu ist allerdings der Mitmachcharakter. »Es gibt bundesweit keinen vergleichbaren Partizipationsprozess«, sagt Ramseger. Neu ist außerdem, dass das Konzept tatsächlich an allen zu bauenden Schulen umgesetzt werden soll. Nur in den alten, teils denkmalgeschützten Schulgebäuden, wird es schwierig.

Auf ein Datum für die erste so gebaute Schule will sich Bausenatorin Katrin Lompscher (LINKE) nicht festlegen. »Wenn wir sagen, wir wollen die Bauzeiten von bisher acht bis zehn Jahren halbieren, dann kann man sich das ausrechen.« Sprich: Frühestens 2021, eher 2022 wird die erste neue Schule stehen.

Wie viel das kosten wird, ist ebenso unklar. »Ich kann nur an den Finanzsenator appellieren«, sagt Ramseger: »Er soll mal seine Küche mit der seiner Großmutter vergleichen. Da wird er merken: Er verfügt über die doppelte Fläche.«

Den Küchenvergleich nimmt Christine Edmaier, Präsidentin der Architektenkammer, gerne auf: Heutzutage werde die Küche ins Wohnzimmer gebaut, so ähnlich könne man es sich mit den neuen Schulräumen vorstellen. Und tatsächlich: Das »Lehrerzimmer« grenzt einfach an die Gemeinschaftsfläche an, höchstens durch eine Scheibe getrennt. »Die Vandalsimus-Rate sinkt«, sagt Ramseger. »Es wird familiärer.«

Ein Problem gibt es dann doch noch: kaum freie Flächen, auf denen gebaut werden kann. Denn nicht nur hatte das Land viele Gebäude und Flächen verscherbelt, auch wird Boden für neuen Wohnraum benötigt. Scheeres berichtet, dass sie zusammen mit den Bezirken bereits 30 Flächen identifiziert habe, die nun noch überprüft werden müssten.

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