Somuncus Fake News

Robert D. Meyer über eine von n-tv zu Unrecht in den Giftschrank verbannte Ausgabe des Satiretalks »So! Muncu!«

  • Lesedauer: 3 Min.

Serdar Somuncu ist als Kabarettist nicht für leise Töne bekannt. Wenn nötig, schreit er sein Publikum an, springt auf, empört sich, zeigt seine Wut. In seiner seit 2015 auf dem Nachrichtensender n-tv ausgestrahlten Talksendung »So! Muncu!« geht es mitunter ähnlich laut und brachial zu. Nicht ohne Grund: Die Sendung ist auch als Satire auf die klassischen Polittalks gedacht, Somuncu selbst sprach im vergangenen Jahr gegenüber tagesspiegel.de von der »Dekonstruktion einer klassischen Talkshow«. Zuschauer dürften also ausreichend vorgewarnt sein, wenn hier ein Kabarettist und eben kein Journalist als Moderator übernimmt.

Den Verantwortlichen von n-tv ging offenbar jetzt erst ein Licht auf, dass da jemand mit den Mitteln der Satire und Verwirrung Aufklärung der Öffentlichkeit betreibt. Vielleicht fühlte sich der Sender einfach nur von Somuncu ertappt, als es zu Wochenanfang hieß, die bereits produzierte Ausgabe mit dem Titel »Alternativlos schmutzig: wie extrem wird der Wahlkampf?« lande ungesendet im Giftschrank, weil die Ausgabe »nicht unseren Qualitätsansprüchen entsprochen« habe, so eine Sprecherin von n-tv gegenüber dem Medienportal DWDL.de. Da die Folge für kurze Zeit auf der Website des Senders dennoch zu finden war, gelang es spiegel.de, den Aufreger zu rekonstruieren.

Strittig ist demnach jener Teil der Sendung, als während der Diskussion mit den Studiogästen über den möglichen Einsatz von Fake News im Wahlkampf gleich drei Einspieler gezeigt werden, die im Stil des Senders als »Breaking News«, also Eilmeldung, gehalten sind. Darin ist ein Reporter mit n-tv-Mikrofon vor dem Weißen Haus zu sehen, der vorgeblich über Trumps jüngste Beschlüsse spricht. Einer davon: Der US-Präsident wolle Muslimen daheim den Strom abdrehen. Noch glaubwürdiger ist die Eilmeldung, wonach Washington beschlossen habe, die NATO zu verlassen.

Anders als der Satiriker Jan Böhmermann vor zwei Jahren mit seinem fingierten Video über den angeblichen Mittelfinger des damaligen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis gegen Deutschland, klärte Somuncu die Satire während der Sendung auf, wie er dwdl.de verriet. Nach dem dritten Einspieler und »Riesen-Applaus im Publikum, [...] war sofort klar, dass das nicht ernst gemeint war«.

Anders sieht es n-tv: »Die Sendung enthielt Elemente, die die Zuschauer eher verwirrt hätten.« Doch in »Zeiten von gefühlter Unsicherheit und oft unüberschaubaren Nachrichtenlagen« würden diese von einem Nachrichtensender »Orientierung und Einordnung« erwarten. Somuncu versteht die Aufregung nicht: »Erstens leben wir doch in einer Post-Varoufakis-Fake Zeit. Und zweitens glaube ich, dass wir in Deutschland mittlerweile satiregeschulter sind als viele andere Länder«, so der Kabarettist. Gegenüber dwdl.de schob er die Spitze nach: »Ich kenne die Qualitätsansprüche von n-tv ehrlich gesagt nicht. Ich weiß auch nicht, ob sie sich auf das Ausstrahlen von Dokumentationen oder den Wetterbericht beziehen.«

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal
Mehr aus: Aus dem Netz gefischt