1,3 Prozent weniger Straftaten verübt

Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) präsentierte die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Von nur mühsam zurückgehaltener Kritik an der Justiz war am Mittwoch die Präsentation der diesjährigen Kriminalstatistik für das Land Brandenburg begleitet. Sicher sei die Unabhängigkeit der Justiz ein hohes Gut, und das gelte es zu verteidigen, sagte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). Doch werde sich als Nagelprobe erweisen, wie eine veränderte Gesetzgebung in Bezug auf Angriffe gegen Polizisten ausgestaltet werde. Schröter geht es im Kern darum, die Mindeststrafen bei Angriffen auf Polizeibeamte so festzulegen, dass Richtern das Unterschreiten eines bestimmten Strafmaßes nicht mehr möglich sein soll. Mit der Art und Weise, wie die Justiz mit Angriffen auf Polizisten in der Vergangenheit umging, ist der Minister unzufrieden. Inzwischen werden in Brandenburg pro Jahr mehr als 1000 Angriffe auf die Polizei gemeldet, gab er bekannt. Die Beamten werden demnach beleidigt, bespuckt und körperlich attackiert. »Es wird Polizistinnen an die Brust gefasst und in den Schritt«, sagte der Minister. »Wer Polizisten angreift, der greift uns alle an. Da darf es keine falsche Toleranz geben.«

Die Präsentation der Kriminalstatistik für 2016 stand noch unter dem Eindruck, dass zwei Polizisten im Einsatz ums Leben kamen und der Täter bei einer anderen Bewertung seiner der Justiz bekannten Persönlichkeit zu seiner Kurzschlusshandlung nicht in der Lage gewesen wäre. Er wäre schon weggesperrt gewesen.

Die Zahl der erfassten Delikte im Land Brandenburg ist zwar 2016 um 1,3 Prozent auf 185 831 gefallen und damit erneut gesunken. Aber Fälle schwerer Kriminalität haben um 15 Prozent zugenommen. Ihre Zahl lag nun bei 4800. Straftaten wie Mord, Totschlag, Körperverletzung mit Todesfolge, Vergewaltigung und schwerer Raub haben nach Jahren des kontinuierlichen Rückgangs im Vorjahr wieder zugenommen, musste der Minister bekanntgeben.

Vor einigen Tagen hatte Justizminister Stefan Ludwig (LINKE) darauf hingewiesen, dass immer weniger Strafgefangene in den Gefängnissen sitzen, was er sich nicht erklären könne. Innenminister Schröter sagte dazu, für ihn sei dies ein genauso großes Rätsel, und die Bevölkerung habe dafür vermutlich auch keine Erklärung.

Ausdrücklich hob Schröter hervor, dass er eine »ehrliche« Polizeistatistik vorlege. Es seien 30 567 Tatverdächtige ermittelt worden. Die Aufklärungsquote sei von 52,5 auf 53 Prozent gestiegen. Die Zunahme der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und anderer Gewaltdelikte sei im Wesentlichen auf Ereignisse in Flüchtlingsheimen zurückzuführen. Unter anderem seien im Vorjahr 30 Fälle von Kindesmissbrauch in Asylheimen angezeigt worden, ein Jahr zuvor seien es sieben Fälle gewesen. Schröter erklärte jedoch, der Rückgang der Flüchtlingszahlen habe zu einer Entspannung geführt, denn nun würden Familien und alleinstehende Frauen unter den Flüchtlingen räumlich von den alleinreisenden Männern getrennt. Inzwischen gebe es in Frankfurt (Oder) ein spezielles Frauenhaus für Opfer sexueller Übergriffe, und in allen Asylheimen ein Vorbeuge- und Schutzprogramm. Wenn Berlin demnächst auf die Unterbringung von Flüchtlingen in Wünsdorf verzichte, werde es einmal mehr möglich sein, rivalisierende ethnischen Gruppen unter den Asylbewerbern voneinander zu isolieren.

Zu den erfreulichen Entwicklungen zählte Schröter den Rückgang der Einbrüche in Wohnungen und Firmen und der Fahrraddiebstähle. Doch werden wieder mehr Autos geklaut. Neu sei der Viehdiebstahl. Größtenteils seien es Rinder, die nach Osteuropa verschleppt werden. Gestohlen worden seien aber auch 50 Schweine, 29 Schafe und 13 Ziegen.

»Befürchtungen, dass das Land in Kriminalität versinke, haben sich einmal mehr als haltlos erwiesen«, kommentierte die Landtagsabgeordnete Ursula Nonnemacher (Grüne) die Statistik. »So erfreulich der leichte Rückgang der registrierten Gesamtstraftaten auch ist, wir dürfen nicht verkennen, dass die Schutz- und Kriminalpolizei in Brandenburg seit Jahren unter massivem Personalabbau leidet«, meinte der Landtagsabgeordnete Björn Lakenmacher (CDU).

Die rot-rote Koalition hat den Personalabbau allerdings inzwischen gestoppt und sogar wieder etwas mehr Stellen geschaffen. Die frühere Stärke ist aber nicht erreicht. Seite 11

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