Schiefer Dom von Zwickau

Marienkirche muss stabilisiert werden

  • Claudia Drescher, Zwickau
  • Lesedauer: 3 Min.

Einheimischen fällt es kaum noch auf, doch Besucher stutzen beim Gang durch den Dom St. Marien. Das Gotteshaus neigt sich rund 40 Zentimeter in Richtung Osten. Jetzt werden die Fundamente saniert, richtig gerade stehen wird die Kirche aber nie wieder.

»In zehn Meter Höhe ist der Dom schon 43 Zentimeter aus dem Lot«, sagt Dombaumeister Michael Kühn und zeigt auf einen der mächtigen Strebepfeiler des evangelischen Gotteshauses. Damit der Zwickauer Dom nicht eines Tages dem Schiefen Turm von Pisa Konkurrenz macht, sollen die Fundamente nun umfassend saniert und stabilisiert werden. »Wenn wir nicht eingreifen, ist der Dom irgendwann nicht mehr tragsicher. Er würde im schlimmsten Fall einstürzen«, sagt Kühn, der sich seit 1984 um den Dom kümmert. Da sich die Pfeiler an der Ostseite in Richtung Rathaus neigen, der übrige Teil aber nicht, kippt der Dom etwa in der Mitte ab und droht auseinanderzureißen, sagt der 73-Jährige. »Sowohl außen als auch innen sind bereits Risse im Mauerwerk zu erkennen.« Wie Zickzacklinien fressen sie sich vom Boden bis hoch zum Gewölbe.

Lange Zeit galt der Steinkohlenbergbau im Zwickauer Revier als Ursache für den Schiefstand, weil sich das Gelände über den alten Schächten absenkt. Tatsächlich ist der Dom allein zwischen 1925 und 1935 im Mittel um 3,63 Meter in die Tiefe gerutscht, erklärt Kühn. Aber allein seit der Wende habe sich das Gebäude um weitere zwölf Zentimeter Richtung Osten geneigt. »Inzwischen wissen wir, dass die Fundamente das eigentliche Problem sind.« In mühevoller Handarbeit haben Arbeiter mit Hacke und Schaufel seit Herbst die Gründung des Doms im Inneren freigelegt. Seit Februar wird auch an der Außenseite gegraben, hier zumindest teilweise mit Baggern.

Der Blick in drei Meter Tiefe war für Michael Kühn ernüchternd: Außen sind die Sandsteine des Fundaments schlecht vermörtelt, im Inneren sind sie bloß lose aufgeschichtet. »Für die damalige Belastung war das Fundament von 1470 zwar nicht gut, aber völlig ausreichend«, sagt der Experte. Das Problem: Über die Jahre wurde der Dom um fünf Meter erhöht, das verändere die Kräfte.

Mit dem Ende des Bergbaus kam noch ein steigender Grundwasserspiegel hinzu. »Wenn Sandstein aber nass wird, lässt er sich richtiggehend abbröseln«, sagt Kühn und führt es gleich vor. Das Fundament verlor über die Zeit immer mehr an Festigkeit. Nun soll die alte Gründung durch Stahlbeton ersetzt werden. Dafür werde das Gebäude im sogenannten »Pilgerschrittverfahren« etappenweise unterfahren. Damit der Dom inzwischen nicht kippt, halten am Marienplatz zwei riesige Stützen dagegen.

Die bislang veranschlagten Kosten von 400 000 Euro trägt zu 80 Prozent der Freistaat, die übrigen 20 Prozent übernimmt die Landeskirche. Allerdings sind nach Kühns Angaben bereits 300 000 Euro für Untersuchungen sowie Ausschachten und Abstützen des Doms ausgegeben worden. »Und bei den Außenfundamenten sind wir gerade mal bei einer Tiefe von 1,50 Meter. Da wissen wir gar nicht, was uns noch erwartet.«

Zwickau ist wohl der spektakulärste Sanierungsfall in Sachsen. Doch auch bei anderen Kirchen gibt es Sanierungsbedarf, etwa bei der Stadtkirche von Borna, die ebenfalls den Namen St. Marien trägt. Der Glockenturm war in Folge des Braunkohleabbaus um 70 Zentimeter aus dem Lot geraten, konnte aber stabilisiert werden. Wieder gerade stehen wird er aber ebenso wenig wie die Zwickauer Marienkirche. dpa/nd

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