Mit der Untergrenze gegen den Notstand

Krankenhäuser sollen mehr Pflegekräfte bekommen

  • Nelli Tügel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die seit Jahren stattfindenden Proteste von Krankenhausbeschäftigten für mehr Personal zeigen offenbar Wirkung: Gerade kündigte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) Personaluntergrenzen für pflegeintensive Klinikbereiche an. Künftig sollen in Bereichen, »in denen dies aus Gründen der Patientensicherheit besonders notwendig ist, wie beispielsweise in Intensivstationen oder im Nachtdienst, Untergrenzen festgelegt werden, die nicht unterschritten werden dürfen«. Gemeinsam mit Vertretern der Koalitionsfraktionen und der Länder legte Gröhe diese Schlussfolgerungen aus den Beratungen der Expertenkommission »Pflegepersonal im Krankenhaus« vor. Er erklärte, eine gute Versorgung im Krankenhaus setze eine angemessene Personalausstattung voraus.

Der präsentierte Zeitplan sieht vor, dass die Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) bis zum 30. Juni 2018 konkrete Vereinbarungen zu den Personaluntergrenzen ausarbeiten sollen, die dann zum 1. Januar 2019 wirksam werden. Sollten bis zum 30. Juni 2018 keine solchen Vereinbarungen zustande kommen, wird stattdessen das Bundesministerium für Gesundheit bis zum 31. Dezember 2018 die Entscheidungen treffen.

Der Zeitpunkt für die Ankündigung dürfte kein Zufall gewesen sein: Am Tag darauf demonstrierten mehr als 4000 Pflegekräfte in Saarbrücken für mehr Personal im Krankenhaus. Jahrelang waren Entscheidungen über gesetzliche Maßnahmen zur Personalbemessung von der Bundesregierung aufgeschoben worden. Die Expertenkommission »Pflegepersonal im Krankenhaus«, die Ende 2015 unter anderem mit der Prüfung solcher Maßnahmen beauftragt worden war, sollte ihre Ergebnisse ursprünglich erst Ende 2017 vorstellen. Dass es nun wesentlich schneller ging, ist ein Indiz dafür, dass der Druck auf die Regierung in dieser Frage zuletzt gestiegen ist.

Problematisch erscheint, dass neben den Krankenkassen die Krankenhausgesellschaft mit der Ausarbeitung der konkreten Untergrenzen beauftragt wurde. Denn die DKG lehnt Personaluntergrenzen strikt ab, wie sie anlässlich der Ankündigung Gröhes erneut bekräftigte. So erklärte DKG-Präsident Thomas Reumann: »Die von der Politik nun vorgesehenen Anhaltszahlen gehen weit über den akzeptablen Rahmen hinaus. Der Personalbedarf ist nicht schematisch festlegbar.«

Ver.di hat indes vor, die »Tarifbewegung Entlastung« für mehr Personal im Krankenhaus weiterzuführen. Endlich erkenne die Koalition an, dass den Kliniken verbindliche Personaluntergrenzen vorgegeben werden müssten, weil Markt und Wettbewerb alleine es nicht richten könnten, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. Man werde sich aber auf diesem Teilerfolg nicht ausruhen. »Es ist noch völlig unklar, wann und in welchen Bereichen Untergrenzen festgelegt werden sollen, geschweige denn, wie viele Stellen zusätzlich eingerichtet und finanziert werden«, sagte Bühler. »Wir brauchen eine umfassende Lösung. Beschäftigte lassen sich nicht länger mit homöopathischen Dosen abspeisen«. Sie betonte zudem, dass aus Sicht der Gewerkschaft alle Bereiche im Krankenhaus genug Personal bräuchten.

Ver.di tritt seit langem für eine gesetzliche Personalbemessung ein und hatte dafür 2015 mit Hilfe einer Petition eine Anhörung im Bundestag erwirkt. Es folgten keine Maßnahmen, zeitgleich setzten Kollegen an der Berliner Charité einen Tarifvertrag für mehr Personal durch. Daraufhin ging ver.di dazu über, das Thema verstärkt auf die betriebliche Ebene zu tragen und in den Krankenhäusern zu mobilisieren. 162 000 Stellen fehlen nach Berechnungen der Gewerkschaft an deutschen Kliniken, davon 70 000 in der Pflege.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal