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Entführungskrimi um Familienhund

Anklage vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen Raub und gefährlicher Köperverletzung

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 4 Min.

Ob Katz, ob Maus, ob Rind, ob Schrank, Geldschein oder Edelkarosse - alle sind sie dem Gesetz nach »fremde bewegliche Sachen«, wenn sie zu Unrecht den Besitzer wechseln. Auch Jack-Russel-Mischlingshündin »Lussy« mit süßen schwarzen Ohren und einem Lebendgewicht von sieben bis zehn Kilo ist solch ein »fremder beweglicher Gegenstand«. Um den rankt sich ein Trauerspiel mit zahlreichen Hauptdarstellern. Einst waren sie ein trautes Paar, Hans-Peter G., schon ein wenig in die Jahre gekommen, und die jüngere Yaisel S. Eine Tochter kam zur Welt, doch die Liebe erkaltete. Aus Zuneigung wurde Hass, die Ehe lag in Scherben. So stellte sich die Geschichte am Montag vor Gericht dar.

Sie stritten immer wieder vor dem Familiengericht um das Haus, um den Unterhalt, zeigten sich gegenseitig bei der Polizei wegen familiärer Gewalt an. Der Fall beschäftigte Hunderte. Bis es Yaisel G. nicht mehr aushielt und aus dem gemeinsamen Heim auszog. Sie fand in Christian A. einen verständnisvollen Partner. Die Tochter blieb beim Vater, bis sie 18 wurde. Und auch der Hund »Lussy« - ein gemeinsames Geschenk der Eltern an ihre Tochter blieb beim Vater. Das inzwischen erwachsene Kind interessierte sich wenig für »Lussy«. Noch unter gemeinsamem Dach hatte sich jahrelang die Mutter Yaisel G. um den Hund gekümmert. Rein rechtlich gehörte »Lussy« der Tochter, und da sie damals beim Vater wohnte, gehörte auch das Tier rechtlich dorthin. Das aber wollte Mutter Yaisel G. nicht wahrhaben. Sie habe sich um das Tier gekümmert, sei mit »Lussy« wann immer notwendig zum Tierarzt gegangen, also habe sie das moralische Recht, über den schwarz-weißen Vierbeiner zu verfügen.

Gemeinsam mit Christian A. schritt sie zur Befreiungstat. Am 20. März 2016, in den Vormittagstunden, fuhren beide zur Wohnung, in der Vater und Tochter noch immer wohnten. Fahrer und Hundeeroberin wussten: Am Wochenende geht die 65-jährige Bärbel H., Erzieherin von Beruf, mit dem Hund ihres befreundeten Hans-Peter G. Gassi. So auch an diesem Tag. Kaum war der Hund auf der Straße, sprang Yaisel S. aus dem Wagen, griff sich das Tier mit beiden Händen und warf es über den Beifahrersitz auf den Rücksitz.

Bärbel H. war entsetzt, wie sie vor Gericht erzählte. Hunderaub auf offener Straße! Sie habe um Hilfe geschrieben, sei halb ins Fahrzeug geklettert, um »Lussy« wieder herauszuholen. Schließlich habe sie nachgegeben und den Rückzug angetreten. »Ich habe gekämpft wie ein Löwe«, sagte sie als Zeugin, doch gegen die Übermacht habe sie keine Chance gehabt. Gegen Abend spürte sie den Schmerz, ihre Arme zeigten etliche blaue Flecke. Hans-Peter G. hielt alles fest und zeigte die Bilder am Montag vor dem Gerichtssaal breitwillig den Journalisten.

Yaisel G. und Christian A. stritten vor dem Richter alles ab. Man habe der Frau keine Gewalt angetan. Das könnte nur der Ex-Mann gewesen sein, der sei ein gewalttätiger Mensch und habe früher seine Frau geschlagen. Das aber wies Bärbel H. entschieden zurück. »Das ist eine Lüge, so wahr mir Gott helfe.« Die blauen Flecken stammten von den Hundeentführern, als sie halb im Auto hängend den Hund zurückerobern wollte. Jedes Detail will das Gericht wissen, was in jenen Momenten geschah, vor allem, wie »Lussy« so blitzschnell auf den Rücksitz kam.

Das Gericht musste entscheiden, wer Verursacher der Blutergüsse bei Bärbel war. Auch Hans-Peter G. war als Zeuge geladen, doch da er zum eigentlichen Geschehen nichts beitragen konnte, wurde er wieder ausgeladen.

Die Zeugen, die den Vorfall beobachtet hatten, machten unterschiedliche Angaben, vor allem über die Dauer des Geschehens. Gewalt hätten sie nicht beobachten können. Möglicherweise hätten die Aussagen der Tochter bei der Wahrheitsfindung weiterhelfen können, doch die war gar nicht geladen. Also wird man sich noch einmal treffen zur weiteren Erhellung des Geschehens.

Eine Wendung brachte die Tochter dennoch in den Fall: Inzwischen volljährig lebt sie mittlerweile bei der Mutter. Daher hat auch »Lussy« dort ein Bleiberecht.

Die übrigen Familienstreitigkeiten werden parallel vor dem Familiengericht ausgetragen.

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