Der IWF ist nicht verhandlungsbereit

SYRIZA-Berater Theodoros Paraskevopoulos über die schwierigen Gespräche mit den Kreditgebern

  • Lesedauer: 5 Min.

Wie laufen Ihrer Ansicht nach die Verhandlungen der griechischen Regierung mit den Geldgebern?

Die Verhandlungen sind sehr schwierig und noch nicht abgeschlossen. Es gibt großen Druck von Seiten der Geldgeber, die Maßnahmen nicht sozial abzufedern, darum stocken die Verhandlungen. Allerdings sind wir in der Eurogruppe vom 20. Februar übereingekommen, dass alle Maßnahmen durch Gegenmaßnahmen aufgewogen werden, damit die Kürzungen in anderen Bereiche ausgeglichen werden.

Was sind die zentralen Differenzen?

Die wichtigsten offenen Fragen sind das Arbeitsrecht und die Rentenfrage. Die Vorgängerregierung hatte 2012 die Tarifverhandlungen praktisch abgeschafft. Wir wollen sie wieder einführen. Die Europäer sind da kompromissbereit. Der Internationale Währungsfonds (IWF) nicht. Er besteht darauf, dass Betriebsabkommen über Branchenabkommen stehen. Auch früher gab es durchaus Betriebsabkommen, aber diese galten nur, wenn das Ergebnis für die Lohnabhängigen besser war als das Branchenabkommen. Ein weiterer Streitpunkt ist der Kündigungsschutz bei Massenentlassungen. Nach griechischem Recht kann das Arbeitsministerium bei Massenentlassungen ein Veto einlegen. Der IWF will das abschaffen oder die Obergrenze für Entlassungen von 5 auf 10 Prozent der Belegschaft erhöhen.

Was ist der Knackpunkt bei den Renten?

Die Diskussion bezüglich der Renten dreht sich um unser neues Gesetz. Demnach bekommen Menschen, die vor 2015 in Rente gegangen sind, ihre alten Renten, während die neuen Renten kleiner sind. Auch dagegen stellt sich der IWF.

Auch die Geldgeber wollen, dass die Maßnahmen sozial abgefedert werden?

Nicht unbedingt, das blieb etwas vage, aber auf jeden Fall sollten sie finanzpolitische neutral sein. Wir als griechische Regierung wollen soziale Ausgleichsmechanismen. Die Europäer sind da verhandlungsbereit, der IWF nicht. Bei der Rentenkürzung beispielsweise haben wir vorgeschlagen, dass alle Rentner von Krankenversicherungsbeiträgen befreit werden. Aber der IWF meint, dass Leuten, denen etwas genommen wird, nichts gegeben werden darf. Sie schlagen als Gegenmaßnahme vor, die steuerliche Belastung für Unternehmen und höhere Einkommen zu senken.

Der IWF scheint das größte Hindernis für die griechische Regierung zu sein.

Nicht immer, wir differenzieren. Wir stimmten mit dem IWF in der Schuldenfrage überein. Die Schulden sind zu hoch und nicht nachhaltig. Aber inzwischen hat der IWF der europäischen Position zugestimmt, die Schulden also erst nach 2018 zu verhandeln. Für uns ist allerdings problematisch, dass der IWF sagt, wenn wir hier Zugeständnisse machen, dann wollen wir dafür striktere Kürzungen. Eine weitere Frage ist der Primärüberschuss. Der IWF stimmt auch mit der griechischen Regierung darin überein, dass der Primärüberschuss von 3,5 Prozent des BIP mittelfristig zu hoch ist. Aber mit einer Senkung des Wertes sollen auch hier wieder striktere Kürzungen einhergehen.

Aber die Austeritätsmaßnahmen sollen doch nur durchgesetzt werden, wenn das 3,5-Prozent-Ziel nicht erreicht wird?

Genau. Aber die Renten wollen die Geldgeber auf jeden Fall schon jetzt kürzen. Während der Verhandlungen ist es immer so, dass der IWF seine Forderungen an uns stellt, die Europäer zwar eine andere Position haben als der Fond, aber uns den Ball zuspielen. Nach dem Motto: Wir wollen zwar den IWF dabei haben, aber ihr müsst mit denen selbst verhandeln, auch wenn wir mit euch einer Meinung sind. Die griechische Regierung wollte den IWF von Anfang an nicht dabeihaben. Aber so steht es eben im Abkommen.

Wie handlungsfähig ist Ihrer Ansicht nach die griechische Regierung? Welche Trümpfe hat sie in der Hand?

Gar keine. Die einzigen Trümpfe, die die Regierung hat, ist die Unterstützung der Bevölkerung.

Aber die schwindet. Sie liegt nach der jüngsten Umfrage nur noch bei 15,5 Prozent. Bei der Parlamentswahl im September 2015 waren es 35,5 Prozent.

Ja, natürlich. Die Menschen haben mehr erwartet und sind enttäuscht. Wir haben unsere Möglichkeiten überschätzt. Wir dachten, wir könnten sehr viel mehr verändern. Vor allem in den Verhandlungen mit den Geldgebern. Das das unrealistisch war zeigte sich besonders deutlich im Sommer 2015 nach dem Referendum. Da gab es praktisch einen Putsch.

Aber die Regierung hat im Referendum die Zustimmung von über 60 Prozent der Wähler bekommen. Warum hat sie diesen Wählerauftrag nicht genutzt?

Die Frage des Referendum war, ob der Vorschlag der Geldgeber angenommen wird oder nicht. Wir wollten durch das Referendum den Auftrag der Bevölkerung erhalten, mit den Kreditgebern zu verhandeln. Das Ziel war nicht, das Memorandum abzuschaffen, weil das eben nicht möglich war. Da gab es aber innerhalb der Partei unterschiedliche Ansichten, und wir haben uns gespalten. Denn der von einigen geforderte EU-Austritt hätte zu einer wirtschaftlichen Katastrophe geführt. Wir hätten sowohl noch höhere Schulden sowie noch mehr Druck aus dem Ausland gehabt. Im Rahmen der Globalisierung ist die Souveränitätsfrage eines Nationalstaates sehr relativ.

Aber wie kann man mit dieser eingeschränkten Handlungsfähigkeit ein sozialeres Europa aufbauen?

Wir müssen die politischen Kräfteverhältnisse in Europa verändern, und das geht nur sehr langsam. Aber es gibt eine interessante Entwicklung in der europäischen Sozialdemokratie. In Spanien und Frankreich sind die Parteien in links und rechts gespalten.

Bezeichnen Sie SYRIZA jetzt als sozialdemokratische Partei?

Nein, auf keinen Fall. Aber wir wollen, dass sich innerhalb der europäischen Sozialdemokratie etwas ändert, damit wir Bündnisse schließen können. Wenn wir das nicht schaffen, wird es nicht nur für uns sehr schwierig, sondern auch für das europäische Projekt. Die große Frage für uns als linke antikapitalistische Partei ist: Wie kann man das sozialistische Projekt in diese neue Situation einbetten. Das haben wir noch nicht ausdiskutiert.

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