Mehr Geld für Kaffeebauern

Gewerkschaften und Kooperativen feiern Erfolge in Äthiopien - Beschwerden zum Trotz

  • Oliver Eberhardt, Dschibuti-Stadt
  • Lesedauer: 4 Min.

Kritisch fällt der Blick in die Tasse, bevor der Mann die Augen verdreht: »Das ist doch kein Kaffee.« Er wirft einen durchsichtigen Beutel voller schwarzer Bohnen auf den Tisch: »Das ist Kaffee.« Mulatu Tadesse weiß, wovon er spricht: Er kommt aus Äthiopien, dorther, wo der Kaffee geboren wurde; seine Eltern, Großeltern, Urgroßeltern hätten Kaffee angebaut, erzählt er, und Tadesse selbst verkauft heute Kaffee.

Eben noch hat er mit zwei US-Amerikanern an einem Seitentisch des Caféhauses im Zentrum von Dschibuti-Stadt gesessen; es wurde hart, laut verhandelt: »Früher war es so, dass die westlichen Konzerne die Preise diktiert haben; irgendwer hat ihnen schon was verkauft«, erzählt Tadesse. Doch die Zeiten haben sich, zumindest in Äthiopien, gewandelt, und Leute wie Tadesse sind ein Zeichen dafür.

Denn der 36-Jährige ist Angestellter eines Dachverbandes von Kooperativen, zu denen sich die meisten der äthiopischen Kaffeebauern zusammengeschlossen haben: Gemeinsam vermarkten sie nun ihr Produkt, setzen ihre eigenen Preise fest.

Preise, von denen die Menschen leben und sich etwas leisten können - die Kinder zur Schule zu schicken, beispielsweise. Er selbst habe nur zur Schule gehen können, weil seine Eltern sich das Schulgeld vom Munde abgespart haben, berichtet Tadesse: »Dort habe ich gelernt, dass es in Europa und den USA viele Leute gibt, die für eine Tasse Kaffee das bezahlen, was meine Eltern in einem Monat verdient haben.«

Heute ist er studierter Betriebswirtschaftler, aber vor allem ist er PR-Künstler: Jede Kaffeesorte, jede Kooperative ist bei ihm mit einer Geschichte verbunden, in der meist Kinder zur Schule gehen, statt auf dem Feld zu arbeiten, Alte sich zur Ruhe setzen können, und die Kaffeebauern einen Zwölfstundentag haben, was in Äthiopien schon ein Erfolg sei.

Was ist da dran? »Die Lage der Kaffeeproduzenten in unserem Land hat sich in den vergangenen Jahren schon stark verbessert«, sagt Amare Alemayehu, Vorsitzender des äthiopischen Gewerkschaftsdachverbandes: Gerade Selbstständige befänden sich in Äthiopien ständig in Gefahr, der dort lange Zeit nahezu unreglementierten freien Marktwirtschaft zum Opfer zu fallen, während die Gewerkschaften stark gegängelt werden. »Zusammenarbeit zum Wohl Äthiopiens«, nennt das ein Sprecher von Premierminister Hailemariam Desalegn, der auch die Kooperativen immer wieder zur Mäßigung auffordert: Das Land befinde sich ständig in einer schwierigen Lage, Gewerkschaften und Kooperativen schadeten ausländischen Investitionen.

Denn nicht nur an Kaffeehaustischen in Dschibuti, wo der Kaffee umgeschlagen wird, auch vor Ort wird mit harten Bandagen gekämpft: Als Tausende umgesiedelt werden sollten, um Platz für riesige Blumenfarmen für den Export nach Europa zu machen, und die Gewerkschaft ihre mehr als 200 000 Mitglieder dagegen mobilisierte, drohten mehrere ausländische Konzerne gemeinsam mit einem Rückzug aus Äthiopien. Und auch in Sachen Kaffee beschweren sich die Konzerne immer wieder in Addis Abeba.

Die Umsiedlung ist immer noch in Planung, doch Alemayehu und Tadesse sagen, sie hätten dabei viel über die Befindlichkeiten im Westen und die Macht der PR gelernt: »Die Leute in Berlin oder New York wollen nicht nur Kaffee trinken oder Blumen verschenken; sie wollen dabei auch ein gutes Gefühl haben«, so Tadesse. Also müsse man die Geschichte der Menschen erzählen. »Ich wünsche mir, dass der Sohn am Muttertag seiner Mutter sagt: ›Ich habe für Dich Kaffee und Blumen aus Äthiopien mitgebracht.‹« Was die Regierung mache, so Alemayehu indes, sei das genaue Gegenteil davon: »Sie will billige Waren exportieren, die mit dem Leid unserer Arbeiter hergestellt wurden, und die das Land niemals aus der Armutsspirale befreien werden.«

Die Kooperativen vermarkten ihren Kaffee deshalb schon seit langem als Spezialitäten, die riesigen Mengen, die die beiden größten Produktionsländer Brasilien und Vietnam jährlich ausstoßen, könne man ohnehin nicht erreichen, so Tadesse.

Es sind vor allem Caféhausketten, die den äthiopischen Kaffee gerne im Sortiment haben. 140 US-Dollar will Tadesse pro Sack zu 60 Kilo haben, gut 20 Dollar weniger, als derzeit an der Rohstoffbörse zu zahlen wären, aber auch 30 Dollar mehr, als er vor einem Jahr genommen hat, denn die Weltmarktpreise sind gestiegen, die Region steuert auf eine Dürre zu. »Wir müssen alles mitnehmen, was wir bekommen können«, sagt der Funktionär, aber auch er weiß: Die diversen Zwischenhändler, die vom Caféhaus in Dschibuti-Stadt aus den Kaffee in die Tasse auf dem Prenzlauer Berg eingießen, wollen ebenfalls verdienen. So werden aus etwas mehr als einem Euro, den der Produzent im besten Fall pro Pfund bekommt, fünf Euro im Supermarkt.

Die äthiopischen Kooperativen versuchen deshalb, so oft wie möglich direkt an Endabnehmer wie Robbins und seinen Kollegen zu verkaufen: »Die 110 Dollar pro Sack vom Zwischenhändler nehmen wir nur im absoluten Ernstfall.« »Doch der Druck, möglichst niedrige Preise zu erzielen, ist stark«, sagt James Robbins, der bei einer großen amerikanischen Kette angestellt ist. Gerne hätten die beiden Tadesse herunter gehandelt, nur: »Es gibt in Äthiopien kaum noch jemanden, der billiger verkauft.«

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