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Docker sehen wieder Land

Angesichts massiver Proteste lehnte das spanische Parlament eine Deregulierung des Hafensektors ab

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 4 Min.

Die konservative spanische Regierung sitzt - zwangsweise - wieder am Verhandlungstisch, nachdem ihr Dekret zur umfassenden Deregulierung der Hafenarbeit im Parlament abgelehnt wurde. Deshalb wurde ein für Donnerstag geplanter Streik- und Protesttag von der Internationalen Docker-Organisation (IDC) abgesagt. Erstmals seit 1979 wurde einem Dekret nachträglich die Zustimmung verweigert. Nicht einmal die rechtsliberalen Partner der Ciudadanos (Bürger) wollten die radikal einschneidenden Vorstellungen der rechten Volkspartei (PP) zur Liberalisierung der Hafenarbeit mittragen. Die Linke kritisiert das Vorhaben als »verdeckten Privatisierungsversuch«.

Ihr Erfolg trieb Stauern wie Sergio Santana Villaverde »die Tränen in die Augen«. Er erklärte, »dass er stolz ist, Docker zu sein und zu dieser großen Familie zu gehören, die sich die Probleme aller zu eigen macht«. Letzteres war wohl der Schlüssel dafür, dass es den 6000 Hafenarbeitern bisher gelungen ist, ihre guten Löhne und stabilen Arbeitsbedingungen gegen Angriffe zu verteidigen. Sie sind fast alle in der kämpferischen Gewerkschaft CETM organisiert, der »Nationalen Koordination der Seearbeiter«.

Ihr Drohpotenzial führte dazu, als der Konflikt hochkochte, dass man sich in der spanischen Industrie sofort Sorgen machte. Befürchtet wurde ein »Kollaps«, wenn es zu einem längeren Konflikt kommen sollte. Es wurde ein Plan B geschmiedet, der besagte, wie man mit Importen und Exporten auf Häfen in Portugal, Frankreich und Marokko ausweichen würde. Von dort sollten die Container dann mit Lastwagen über lange Strecken nach Spanien gebracht werden. Derartige Empfehlungen gab Juan Antonio Abad, der Chef der Vereinigung der Chemieunternehmen zum Beispiel den Chemiefirmen: »Drei Streiktage ließen sich noch einigermaßen verkraften«, erklärte er, »doch wenn es länger dauert, wird es problematisch.« Allein seine Mitgliedsunternehmen bewegen 800 Container täglich. Der Gedanke an Flugzeugtransporte wurde aber wegen hoher Kosten gleich wieder verworfen. Jeder einfache Streiktag kostet die spanische Ökonomie 50 Millionen Euro und dieser Wert explodiert, wenn es zu Produktionsausfällen kommt.

Um diese Verlagerungen und mögliche Ausweichmanöver auszuhebeln, ist es in einer globalisierten Ökonomie wichtig, über eine »große Familie« zu verfügen, die nicht nur im spanischen Staat handlungsfähig ist. Dies zeigte sich auch in diesem aktuellen Konflikt. Kollegen aus vielen Ländern unterstützen die spanischen Docker. Denn die Tatsache, dass die spanische Regierung mit ihrem aktuellen Vorstoß eine EU-Richtlinie - wenn auch sehr rabiat - umsetzen wollte, wird von Hafenbeschäftigten europaweit als Angriff gesehen.

Deshalb konnte die IDC auch ankündigen, dass man ein Ausweichen auf Marseille in Frankreich, Sines in Portugal und Tanger in Marokko nicht zulassen werde. Um dem Nachdruck zu verleihen wurde für den 10. März ein dreistündiger Streik angekündigt, »um sich der EU-Kommission zu widersetzen«. An dem Tag, an dem das spanische Parlament über das Dekret entschied, sollte »in Häfen Europas« für drei und weltweit eine Stunde gestreikt werden. Letztlich konnte angesichts des Reinfalls der Konservativen der Protest praktisch ausgesetzt werden.

Bei aktuellen Verhandlungen zeigen sich die Docker nun zu deutlichen Zugeständnissen bereit und boten zum Beispiel eine sechsprozentige Lohnkürzung an. Die Regierung hält aber weiter an ihren ursprünglichen Plänen fest. Um den Protest auszuhebeln, bot sie sogar großzügige Abfindungen von bis zu 110 000 Euro und lukrative Frühverrentungen an. Bis zu 350 Millionen Euro will sich Spanien dieses Manöver kosten lassen, mit dem schlichten Ziel, prekäre Lohn- und Arbeitsbedingungen in den Häfen einzuführen. Die Docker lehnen das ab.

In Madrid argumentiert man gerne mit einer Geldstrafe von 22 Millionen Euro, welche die EU verhängt hat, da man bisher die Umsetzung der Richtlinie verschlafen hat. Ein Dorn im Auge der EU ist vor allem ein Reglement, das besagt, dass Hafenbetriebe nicht frei wählen dürfen, wen sie anstellen, sondern auf einen Pool von Dockern mit fest vorgegebenen Arbeitsverträgen zurückgreifen müssen. Gegen genau diese Praxis hatte die EU-Kommission erfolgreich vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt. Allerdings eifert die spanische Regierung nun weit über das Urteil hinaus. Dagegen verweist die CETM darauf, dass auch in belgischen Häfen ein - dem spanischen sehr ähnliches - Poolmodell gilt. An diesem möchten sich die iberischen Docker orientieren. Die Regierung ist strikt dagegen, weshalb die Konfrontation wohl nur verschoben, aber nicht aufgehoben ist.

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