Hackerangriff oder genervtes Ex-Mitglied?

Junge Union rudert nach vermeintlichem »Angriff« auf Twitter-Account zurück

  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Woche nach dem vermeintlichen Hackerangriff auf den Twitter-Account der Jungen Union will diese offenbar nichts mehr von einer »Aktion, gesteuert aus dem Ausland« wissen (O-Ton Paul Ziemiak, JU-Vorsitzender). Mittlerweile sei das »alles nicht so wild«, sagte Ziemiak gegenüber dem Neo Magazin Royal, nachdem er noch in der vergangenen Woche gegenüber der »Bild« Mutmaßungen anstellte, die Löschung des Twitter-Accounts könnte von HackerInnen aus dem Ausland initiiert worden sein.

»Das solche Aktionen, gesteuert aus dem Ausland, stattfinden, zeigt, was uns in diesem Wahljahr erwartet. Es gibt offensichtlich Leute im Ausland, denen nicht gefällt, was die Jugendorganisation von CDU und CSU im Internet äußert«, hieß es in der »Bild«-Zeitung. Damit bezog sich Ziemiak offenbar auf eine kurz zuvor von der Jungen Union initiierten Aktion am Rande des SPD-Sonderparteitags in Berlin.

Auf einem eigens angemieteten Kahn demonstrierten eine handvoll JU-AnhängerInnen gegenüber vom SPD-Tagungsort gegen die Wahl von Martin Schulz zum SPD-Chef – offenbar erfolglos, wie sich unlängst zeigt.

Gegenüber dem Neo Magazin Royal spielte Ziemiak seine Panikmache nun herunter: »Man habe es ja überlebt«, heißt es. Auch an seine Äußerungen in der »Bild«-Zeitung kann er sich nun offenbar nicht mehr erinnern: »Wer hat denn das gesagt? Niemand!« Man habe die Sache »nie hoch gehangen.«

In der vergangenen Woche wurde zunächst das Passwort des Twitter-Accounts der Jungen Union geändert und anschließend der Account gelöscht, hieß es. Dieser konnte aber wenig später mit Hilfe des US-Konzerns wiederhergestellt werden. Wie Twitter bestätigte, sei der Zugriff von IP-Adressen aus dem Ausland erfolgt – Grund genug für JU-Chef Ziemiak anzunehmen, es handele sich hierbei um den ersten ausländischen Angriff auf den Bundestagswahlkampf 2017.

Der Satiriker Jan Böhmermann klärte in seiner aktuellen Folge sogleich auf, dass genauso gut auch jemand, der das Passwort des Accounts kenne - etwa ein ehemaliges Mitglied der JU - den Account gelöscht haben könnte, zumal Twitter nur maximal 25 falsche Passworteingaben pro Stunde zulässt.

Ohnehin scheint sich die Jugendorganisation der Union in letzter Zeit vermehrt auf Martin Schulz als Hassobjekt eingeschossen zu haben, anstatt durch eigene Inhalte zu glänzen. Zuletzt veröffentlichte die Junge Union etwa im Stil des bekannten »Sheepworld-Motiv« eine Zeichnung des SPD-Chefs, mit dem Titel »Martin Schulz findet Deutschland doof«. Wann und wo sich Schulz in dieser Form geäußert habe, bleibt die JU indes schuldig. »Fake-News im ironischen Gewand«, vermutet etwa Stern.de.

Mit ihrer jüngsten Aktion zum SPD-Sonderparteitag und der anschließenden Panikmache rund um ausländische Hackerangriffe – vor denen Bundesnachrichtendienst (BND) und Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) tatsächlich schon seit längerem warnen – scheint die Junge Union einmal mehr bewiesen zu haben, dass es ihr an innovativen Konzepten mangelt, wofür sie mittlerweile auch Häme in sozialen Netzwerken erntet.

Fazit Böhmermann: »Die größte Gefahr im Wahlkampf geht gar nicht vom Internet oder irgendwelchen Hackern aus, sondern von Leuten, die keine Ahnung haben, wie das Internet funktioniert oder wie ein Hack aussieht.« fbr

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