Wohin nur mit dem Asse-Müll?

Bislang ist völlig unklar, wie die radioaktiven Abfälle geborgen, wo sie zwischen- und wo sie endgelagert werden können

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund 50 000 Kubikmeter Atommüll, verpackt in rund 126 000 Fässern, lagern in 13 mit dicken Mauern verschlossenen Kammern im Bergwerk Asse. In welchem Zustand, ist unklar. Etliche Behälter, vermuten Experten, sind beschädigt und angerostet. Um die marode Grube sicher zu schließen, so versichert das Bundesamt für Strahlenschutz, sollen die radioaktiven Abfälle aus den Kammern geholt und an der Oberfläche dauerhaft gelagert werden. Die Räumung eines unterirdischen Atommülllagers wäre ein weltweit einmaliges Unterfangen. Das Know-how, die Technik und die Maschinen dafür müssten erst noch entwickelt und gebaut werden.

Doch wohin mit dem Asse-Müll, sofern die Rückholung tatsächlich gelingt? Bei Behörden und Bürgerinitiativen herrscht Einigkeit darüber, dass die Abfälle zunächst in ein oberirdisches Eingangslager in der Nähe der Schachtanlage kommen. Dort müssen sie dann neu verpackt werden und anschließend in ein Zwischenlager gebracht werden - wo das entstehen soll, ist umstritten. Während das Bundesamt für Strahlenschutz einen Platz in der Nähe des Bergwerks favorisiert, wollen Anwohner und Atomkraftgegner auch weiter entfernt nach einem Standort suchen lassen.

Noch unklarer ist, wo der radioaktive Abfall aus der Asse endgelagert werden kann. Die ehemalige Eisenerzgrube Schacht Konrad, die der Bund derzeit im nicht weit entfernten Salzgitter zum einzigen nationalen Endlager für schwach und mittelradioaktiven Atommüll umrüsten lässt, kommt schon aus Platzgründen kaum in Betracht. Schacht Konrad ist für ein Volumen von 303 000 Kubikmetern Atommüll genehmigt und wäre mit den bereits angefallenen und noch anfallenden Abfällen aus dem Betrieb der Atomkraftwerke praktisch gefüllt. Weil sich die Inbetriebnahme dieses Endlagers immer weiter verzögert und es auch immer teurer wird, scheuen Betreiber und Behörden vor einem ganz neuen Genehmigungsverfahren zurück. Zudem macht rund um Salzgitter ein breites Protestbündnis, dem neben vielen anderen auch die IG Metall, Kommunen und das Landvolk angehören, gegen etwaige Erweiterungspläne für Konrad mobil.

Einige Regierungspolitiker haben ins Gespräch gebracht, die Abfälle aus der Asse - und dazu auch die Rückstände aus der Urananreicherung, für die es ebenfalls noch keinen dauerhaften Lagerplatz gibt - mit in das zu suchende Endlager »insbesondere« für hoch radioaktiven Müll zu packen. Sozusagen als Hintertür für die Asse-Abfälle hatte die Endlagerkommission des Bundestages in den Suchauftrag denn auch das Wort »insbesondere« hinein formuliert. Allerdings äußerte die Expertenkommission erhebliche fachliche Bedenken: Eine gemeinsame Deponierung unterschiedlicher Arten von Atommüll könne die Suche nach einem Standort weiter erschweren, trug etwa der Reaktorexperte Michael Sailer vom Öko-Institut Freiburg vor.

Ein mögliches Doppel-Endlager müsste nämlich etwa zehn Mal größer werden als bislang kalkuliert. Auch wären die schwach und mittelradioaktiven Abfälle wegen ihrer chemischen Eigenschaften und möglicher Gasbildung anders einzulagern als der in stahlwandige Castor- oder Pollux-Behälter eingeschlossene hoch radioaktive Atommüll.

In ihrem vor anderthalb Jahren aufgelegten »Nationalen Entsorgungsprogramm« hat die Bundesregierung offen gelassen, wo die Asse-Abfälle dauerhaft gelagert werden können. Eine Entscheidung über den Standort will man erst dann treffen, »wenn ausreichend Informationen zur Menge, zur Beschaffenheit und zum Zeitpunkt des Anfalls der aus der Schachtanlage Asse II zurückzuholenden radioaktiven Abfälle vorliegen«. Die bis zur Bergung zur Verfügung stehende Zeit sollten die Verantwortlichen gut nutzen, heißt es. Und dabei auch Ideen prüfen, die derzeit noch tabu sind - den Bau eines dritten Endlagers zum Beispiel.

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