Angepasst und verwässert

Ein Gesetzentwurf soll den Bundesländern die Reform der stationären Versorgung schmackhaft machen

An der Baustelle Krankenhausreform versucht sich nun die nächste Bundesregierung.
An der Baustelle Krankenhausreform versucht sich nun die nächste Bundesregierung.

Die Krankenhausreform galt in der vergangenen Legislaturperiode als das wichtigste Vorhaben der Gesundheitspolitik. Gerade so wurde die Reform im letzten November noch vom Bundesrat abgesegnet. Nach viel Streit zwischen Bund und Ländern, nach diversen empörten Wortmeldungen von Krankenhausträgern und Krankenkassen könnte das Projekt jetzt endlich in ruhigeres Fahrwasser gelangen. Aber eher sieht es danach aus, dass das nun im Entwurf vorliegende Anpassungsgesetz das Sinnvolle an der Reform verwässert, und das Unausgereifte doch nicht auf den Punkt bringt.

Eben weil der Streit um die Kriterien des Bundes für das Vorgehen der Länder nicht beigelegt wurde, spielen in dem Referentenentwurf Ausnahmeregelungen eine große Rolle. Das kommt den Ländern entgegen, allerdings hat auch für sie die Sache einen Haken. Sie können zwar für bestimmte unverzichtbare Krankenhäuser auf Dauer Ausnahmen gewähren, also eine Finanzierung zusagen, auch wenn die Anforderungen der Leistungsgruppen an Personal und Technik nicht erfüllt sind. Die Patienten müssten dann ein Krankenhaus unterhalb der allgemeinen Qualitätsstandards nutzen. Kritiker sehen dadurch vor allem die Patientensicherheit gefährdet.

Ausnahmen könnten dazu führen, dass Patienten in Krankenhäusern unterhalb allgemeiner Qualitätsstandards behandelt werden.

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Bei Ausnahmen darüber hinaus gelten aber zeitliche Befristungen sowie, besonders bitter für die Krankenhäuser: Es muss dafür eine einverständliche Regelung mit den Krankenkassen gefunden werden. Das erfreut andererseits die Gesetzliche Krankenversicherung, die für das Geld ihrer Beitragszahler auf Dauer Qualität als Gegenleistung möchte.

Das nächste große Streitthema ist die Vorhaltefinanzierung. Diese sollte eigentlich die Mechanismen der Fallpauschalenfinanzierung abmildern. Inzwischen überwiegen nicht nur die Zweifel daran, ob das gelingen kann, sondern mancher fragt sich, ob das überhaupt gewollt war. Im Anpassungsgesetz wurden für die Einführung nun die Fristen verlängert, der Start auf 2028 verschoben. Voll wirksam wird der neue Finanzierungsmodus erst 2030. Das könnte ländlichen Gebieten zugutekommen, deren Kliniken ansonsten von der Schließung bedroht wären.

Aber die Vorhaltepauschalen setzen weiter auf Fallzahlen aus der Vergangenheit, was bis zur endgültigen Umstellung die Kliniken in ein noch schnelleres Hamsterrad treibt: Wer jetzt nicht massenhaft Fälle generiert, hat gar keine Chance, bestimmte Leistungen in Zukunft einigermaßen abgesichert anzubieten. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisiert an dem aktuell vorgesehenen Mechanismus die falschen Anreize, die (weiterhin) gesetzt werden sowie den bürokratischen Aufwand. Unter anderem die katholischen Krankenhäuser fordern eine Überarbeitung der Systematik jenseits des jetzigen intransparenten Rechenmodells für die Vorhaltepauschalen.

Allgemeine Zustimmung erntet der Referentenentwurf nur an dem Punkt, dass nunmehr der Bund die Hälfte der Transformationskosten übernehmen wird – und hier nicht die gesetzlichen Kassen leisten müssen. Ausgespart wurden in dem Gesetz die Sofortkosten für die Tranformation. Die dafür insgesamt versprochenen vier Milliarden Euro, die allen noch bestehenden Krankenhäusern zugutekommen sollen, werden jetzt vermutlich erst im Frühherbst in einem Haushaltbegleitgesetz auftauchen.

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Für die Reform hatten in der Ampel-Regierung auch die Grünen mitgestritten. Sie sehen jetzt alle Felle davonschwimmen, unter anderem würden die Qualitätskriterien der Leistungsgruppen verwässert. Über die genannten Ausnahmen könne nun jedes Bundesland selbst entscheiden, die eigentlich mit der Reform intendierte Spezialisierung und Konzentration würde ausgebremst, so die Kritik von Armin Grau, Grünen-Gesundheitspolitiker im Bundestag. Sein Kollege Janosch Dahmen sieht statt einer mutigen Strukturreform einen Rückfall in alte Muster.

Auch seitens der Linke-Fraktion wird das absehbare Flickwerk einer verfehlten Reform kritisiert. Stella Merendino, Sprecherin für Krankenhaus und Notfallversorgung, mahnt an, dass den Krankenhäusern die tatsächlich entstehenden Kosten finanziert werden müssten – und zwar bei Personal, Ausstattung und Investitionen. Statt der Vorhaltepauschalen sollte die Selbstkostendeckung eingeführt werden.

Bis zum 21. August werden nun Verbände zu dem Gesetzentwurf gehört. Der Kabinettsentwurf des Gesetzes soll im September fertig sein, der Bundestag könnte es dann bis zum Jahresende beschließen.

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