Klagen werden nicht gesammelt

Vom Dieselskandal betroffene Verbraucher haben hierzulande schlechte juristische Chancen

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Anderthalb Jahre nach Bekanntwerden der Diesel-Affäre laufen weltweit Prozesse gegen VW, Hunderte Verbraucherklagen sind eingereicht. Während in den USA mehrere Vergleiche erzielt wurden, bei denen Kunden Schadenersatz in insgesamt zweistelliger Milliardenhöhe zugesprochen wurde, warten deutsche Verbraucher jedoch auf finanzielle Wiedergutmachung. Da hierzulande keine Sammelklagen möglich sind, muss jeder Einzelne vor Gericht ziehen - ein Urteil gilt ebenfalls nur für den einzelnen Kläger.

Auch deshalb, so vermuten Verbraucherschützer, kann es sich VW leisten, deutschen Kunden nur Software-Updates statt Entschädigungen anzubieten. Seit Jahren fordern Verbraucherorganisationen, dass die Möglichkeit der Sammelklage gesetzlich verankert wird, doch die Wirtschaft ist mit der derzeitigen Situation sehr zufrieden, und in der herrschenden Politik gibt es keinen ausreichenden Willen zur Veränderung der Rechtslage. Bisher sind Sammelklagen nicht möglich, weil es keine sogenannte Gruppenbetroffenheit gibt. Deshalb muss jeder Kläger seine individuelle Betroffenheit, den Schaden und die Kausalität zwischen beidem nachweisen. Bei einer Sammelklage - in den USA »class action« genannt - erhält nicht nur der Kläger Recht und damit auch Ansprüche, sondern alle Personen, die vom Sachverhalt betroffen sind. Der Einzelne muss nur nachweisen, dass er zu der Gruppe (class) gehört.

In Deutschland haben Geschädigte bislang nur die Möglichkeit, gemeinsam in einem Prozess als Kläger aufzutreten - die sogenannte subjektive Klagenhäufung. Dass sich die rund 2,5 Millionen VW-Geschädigten aber zu einer Klage zusammenfinden, ist eher nicht zu erwarten. Juristisch möglich wäre auch die »Prozessverbindung«. Dabei entscheidet der Richter, ob verwandte Prozesse zusammengelegt werden. Als dritte Möglichkeit, Rechte einer Gruppe von Betroffenen durchzusetzen, gibt es noch die Verbandsklage. Dabei klagen Vereine oder Verbände gegen die Verletzung von allgemeinen Rechten, meist im Umweltbereich.

Die EU-Kommission versucht seit zehn Jahren, europäische Sammelklagen einzuführen, scheiterte aber am Widerstand aus der Wirtschaft - vor allem aus Deutschland und Frankreich. Nun haben Verbrauchervereinigungen am Montag eine Kampagne in vier EU-Staaten gestartet, um Betroffene des Abgasskandals zu Sammelklagen gegen VW zu bewegen. Die Onlinekampagne auf Twitter, demandjustice (Verlangt Gerechtigkeit!), forderte Verbraucher in Belgien, Italien, Portugal und Spanien auf, Entschädigungen vom Wolfsburger Autobauer zu verlangen, da eine Sammelklage auf EU-Ebene nicht möglich ist. In Europa sind 8,5 Millionen Kunden betroffen, VW lehnt aber Entschädigungszahlungen wie in den USA mit Verweis auf eine drohende Pleite ab. grg

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