»Modernes Sodom und Gomorra«

Thailands Junta weist Berichte über Prostitution in Pattaya zurück

  • Robert Spring, Pattaya
  • Lesedauer: 4 Min.

Prostitution in Pattaya? Das kann gar nicht sein, empört sich die Militärjunta in Bangkok über die »Fake News« der britischen Zeitungen »The Mirror« und »The Sun«, die im Februar Pattaya als »Welthauptstadt des Sex« und »modernes Sodom und Gomorra« schilderten. Sollte es in Pattaya doch hier und da ein wenig Prostitution geben, so die Generäle, dann wird damit jetzt aufgeräumt.

Seitdem vergeht kaum ein Tag in Pattaya ohne Razzien. Bei einer der ersten wurden schlagzeilenträchtig Afrikanerinnen festgenommen. Die klare Botschaft: Prostituierte sind Ausländerinnen. Polizeibeamte und Soldaten tauchten mittlerweile aber auch in der Walking Street in Südpattaya auf, in der Bars mit greller Neonreklame für Sexshows und Pole-Dancing mit bestenfalls leicht bekleideten Thai-Damen werben. Besichtigungstouren über die sündige Meile gehören zum Standardprogramm russischer und chinesischer Reisegruppen. Rotlicht als Touristenknaller.

Ein paar Hundert Meter weiter sitzen in berüchtigten Soi 6 (nomen est omen!) schon am Vormittag die »Hostessen« in Miniröckchen mit kess übereinandergeschlagenen Beinen auf den wackeligen Hockern der schäbigen Bierbars. »Hello, come in«, rufen die Frauen vorbeischlendernden älteren, bierbäuchigen Männern in Shorts, Schlabber-T-Shirt und Badelatschen zu. Über den Bars liegen die Zimmer für die schnelle Nummer zwischen zwei Bier. Das nicht überraschende Ergebnis einer Razzia: Schanklizenzen in Ordnung, die Gästezimmer ohne Gäste, Fehlanzeige bei Prostitution.

Prostitution ist in Thailand illegal. Offiziell bieten die zig-tausend Bars und Massagesalons in Pattaya, Bangkok oder Phuket lediglich unterhaltsame Shows und gesundheitsfördernde Wellnessanlagen. Findet ein Kunde Gefallen an einem der Go-Go-Girls, darf er sie zu sich einladen. Dem Barbesitzer zahlt der Freier eine Entschädigung für den Ausfall der wertvollen Fachkraft.

So nimmt es nicht Wunder, dass vor kurzem Apichai Krobpetch, Chef der Polizei von Pattaya, allen Ernstes der Bangkok Post versicherte: »So etwas wie Prostitution gibt es in Pattaya nicht. Wenn Thailadies Sex mit Ausländern haben, ist das ihre Privatsache.« Chantawipa »Noi« Apisuk weiß nicht, ob sie darüber lachen oder weinen soll. »Das sagt die Polizei immer«, seufzt die Gründerin und Vorsitzende der thailändischen Prostituiertenorganisation »Empower«.

Pattaya hat kein Rotlichtviertel. Pattaya ist ein Rotlichtviertel. Am Anfang standen zwei Buchstaben: R & R, Rest & Recreation, etwa »Entspannung & Erholung«. In das Fischerdörfchen am Golf von Siam schickten die USA während des Vietnamkriegs ihre GIs zum Fronturlaub zum R & R mit Sex, Bier und Rock’n Roll.

Nach dem Abzug der Amerikaner aus Vietnam lockte Thailands Touristenwerbung ältere, lüsterne Herren aus Gerolstein und Göteburg, Birmingham und Berlin an.

Seit einigen Jahren müht sich das Tourismusministerium allerdings kräftig, das Image der vibrierenden Großstadt Pattaya aufzupolieren. Mantrahaft werden »High End« und »Familienfreundlichkeit« beschworen. Das optimistische Kalkül: Lockt man nur genügend Familien mit Kindern an die Strände sowie konsumfreudige Hedonisten nach Pattaya, die Cocktails statt Flaschenbier schlürfen, Prada statt Billig-T-Shirts tragen, in Sterne-Hotels statt in Absteigen logieren, dann ändert sich das Image automatisch.

Die Junta in Bangkok ist nicht die erste thailändische Regierung, die sich mit großspurigen Ankündigungen zur Bekämpfung des Sexgewerbes als Hüter der Moral profilieren will. »Seit der Gründung von «Empower» im Jahr 1985 hatten wir vierzehn gewählte, ernannte oder aufgezwungene Regierungen. Bei der Benutzung der Prostitution als politisches Instrument waren sie alle gleich«, sagt Noi.

Leidtragende, so Noi, seien immer die aus den armen Schichten stammenden Frauen und Männer, die durch Prostitution zum Familieneinkommen beitragen müssten. Eine Legalisierung der Prostitution sei derzeit politisch nicht durchsetzbar. »Man könnte aber sofort auf andere Weise den Menschen im Sexgewerbe Respekt zeigen«, sagt Noi. Zugang zu Sozialleistungen und ärztlicher Versorgung nennt Noi als Beispiele. Vor allem sei Bildung wichtig. »Nur durch Schulbildung kann Armut bekämpft werden.«

Thailand rechne für das Jahr 2017 mit etwa 34 Millionen Touristen, sagt Noi. »Würde jeder ›Empower‹ auch nur einen Dollar spenden, könnten wir eine Schule mit einer Standardausbildung für Sexarbeiter aufmachen.«

Die Stadtväter von Pattaya haben eine andere Idee. Sie riefen gerade die Walking Street zur sexfreien »Happy Zone« aus. Was nicht heißt, dass es aus ist mit »Happy Ending«, wie das spritzige Ende von Massagen mit dem gewissem Extra genannt wird. Happy Ending ist in den Seitengassen der Happy Zone weiter im Angebot. Hauptsache, die Fassade stimmt.

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