Im Kriechgang zum Tierschutz

Organisation »Vier Pfoten« kritisierte in Brüssel EU-Aktionsplan

  • Anja Laabs, Brüssel
  • Lesedauer: 2 Min.
Zum Arbeitsprogramm der Bundesregierung für die EU-Ratspräsidentschaft gehört auch die Umsetzung des Aktionsplanes für Tierschutz. Eine Konferenz in Brüssel informierte jetzt über den Stand der Dinge.
Am 23. Januar 2006 legte die EU- Kommission den Aktionsplan der Gemeinschaft zu Schutz und Wohlergehen von Tieren vor. Ziel ist es, den Tierschutz europaweit zu verbessern. Helfen sollen dabei neue Gesetze, die Förderung von Wissenschaft und Forschung und Weiterbildungsmaßnahmen. Liegt eine tierfreundliche Gemeinschaftspolitik in Reichweite? Weit gefehlt - ergab eine Konferenz zum Aktionsplan in Brüssel. Wenige Fortschritte stehen noch zu vielen Tierschutzproblemen gegenüber. Die internationale Tierschutzorganisation »Vier Pfoten« lud Experten und Vertreter aus Politik und Wissenschaft dazu ein, Entwicklung und Stellenwert des Tierschutzes auf Verfassungsebene und den Tierschutzplan als gemeinsamen Rechtsweg zu erörtern. In Europa sei Tierschutz auf Verfassungsebene selten und nur in den deutschsprachigen Ländern zu finden, stellte der Anwalt Gieri Bolliger fest. Seit 2002 schreibt das deutsche Grundgesetz und seit 2004 das österreichische Bundesgesetz den Schutz von Tieren vor. In der Schweiz, die nicht EU-Mitgleid ist, wurde 1893 der erste Tierschutzartikel eingeführt. Seitdem ist dort das Schlachten von Tieren nur mit vorheriger Betäubung gestattet. Davon ist Deutschland nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2006 weiter entfernt denn je. Das betäubungslose Schlachten (Schächten) ist aus Gründen der Religions- und Berufsfreiheit zulässig. Doch damit nicht genug, beklagte der Tierrechtsexperte Hans-Georg Kluge. Tragisch sei auch, dass Tierschutzinteressen mit agrarpolitischen Interessen kollidieren. Die EU-Osterweiterung brachte auch neue Tierschutzprobleme. In Rumänien werde selbst das ohnehin magere Tierschutzgesetz kaum befolgt, berichtete die Anwältin Despina Fruth Oprisan. Seit 17 Jahren versuche man dilettantisch, Hunderttausender streunender Hunde Herr zu werden. Die Tiere werden erschossen oder man überlässt sie Tierfängern. Auf der Konferenz unerwähnt blieben die Importe von Robbenfellen und -produkten aus Drittstaaten. Erst kürzlich bekannte die Bundesregierung, dass sie selbst vorerst nicht handeln wolle. In Belgien hingegen wurde vor zwei Wochen ein Importverbot für die tierquälerisch erzeugten Produkte beschlossen. Importiert werden auch Hunde- und Katzenfelle. Millionen dieser Vierbeiner sterben jährlich für pelzbesetzte Kapuzen und Kragen. Irreführende Begriffe wie Asian Wolf, Corsac Fox oder Maopi suggerieren exotische Modeaccessoires. Wer weiß schon etwas über die leidvolle Käfighaltung oder das Häuten - teilweise bei lebendigem Leibe. Zu Beginn der EU-Ratspräsidentschaft pries die deutsche Kanzlerin das gemeinsame europäische Werteverständnis. Welche Werte sie meinte, bleibt Kaffeesatzlektüre. Bis zu einem würdevollen Umgang mit Tieren sei es noch ein weiter Weg, erklärte die Vorsitzende von »Vier Pfoten«, Marlene Wartenberg. Warum das so ist? Würde braucht Teilhabe an der Gesellschaft. Das ist Tieren derzeit weder als vermenschlichte Unterhalter oder Dekoration noch als industrielle Lebensmittellieferanten möglich.

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